Nachruf auf Harald Hauptmann
der zu überflutenden Gebieten Ostanatoliens zur Folge hatte. In der heutigen
Zeit, in der es in allen Landesteilen der Türkei zahlreiche internationale Ausgra-
bungsprojekte gibt, kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass die Resonanz
auf diesen Aufruf vergleichsweise verhalten ausfiel. Dies stand wohl damit in Zu-
sammenhang, dass der östliche Teil Anatoliens weit von den traditionellen geo-
graphischen Schwerpunkten der Fächer Vorderasiatische Archäologie, Klassische
Archäologie und Ur- und Frühgeschichte entfernt schien, so dass sich seinerzeit
wohl nur wenige Archäologen ein langfristiges Engagement in Form einer Groß-
grabung vorstellen konnten. Es ist das bleibende Verdienst Hauptmanns, die Be-
deutung der Gebiete am Oberlauf des Euphrats als einer wichtigen Drehscheibe
des kulturellen Austausches zwischen Transkaukasien, Ostanatolien und Nord-
syrien erkannt und sich engagiert an den Rettungsgrabungen beteiligt zu haben.
Mit dem Nor§untepe bei Elazig wählte er einen der größten Siedlungshügel des
vom Stausee bedrohten Gebiets aus und untersuchte ihn zwischen 1968 und 1974
im Rahmen eines Ausgrabungsprojekts. Im Rahmen der Ausgrabungen konnten
die Grundzüge der Siedlungsgeschichte des Ortes zwischen den ersten Ansätzen
von Urbanisierung während des späten Chalkolithikums im 4. Jahrtausend v. Chr.
und dem Ende der neuassyrischen und urartäischen Reiche im 6. Jahrhundert
v. Chr. geklärt werden. Diese und die späteren Ausgrabungen Hauptmanns wa-
ren wegen der beispielgebenden Qualität ihrer technischen Durchführung wahre
Ausbildungsstätten für Generationen von Archäologen und Archäologinnen, und
sie gaben Stoff für wissenschaftliche Analysen, aus denen zahlreiche Bände in der
den jeweiligen Orten gewidmeten Buchreihe „Archaeologica Euphratica“ hervor-
gegangen sind. Hauptmanns Engagement für die archäologische Erforschung Ost-
anatoliens fand weiteren Ausdruck in einer Monographie zur Archäologie Urartus
(W Kleiss und H. Hauptmann, Topographische Karte von Urartu - Verzeichnis der
Fundorte lind Bibliographie [Berlin 1976]), in welcher bedeutende Grundlagen für
die Auseinandersetzung mit den zu jener Zeit noch wenig bekannten Befestigun-
gen und anderen Monumenten des urartäischen Reiches gelegt wurden.
Von 1972 bis 1978 wirkte Hauptmann als Assistenzprofessor am Seminar für
Vorderasiatische Altertumskunde der Freien Universität Berlin, wo er 1978 habili-
tiert wurde und, meines Wissens als bisher einziger Archäologe in Deutschland, die
Venia Legendi für die beiden Fächer Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische
Archäologie erhielt. Genau in der Verbindung jener beiden Fächer spiegelt sich
Hauptmanns Vision von Archäologie. Den sich gewöhnlich auf Mitteleuropa kon-
zentrierenden Schwerpunkt des Faches Ur- und Frühgeschichte in Deutschland
empfand er als beengend und erweiterte ihn geographisch um den Balkan, Grie-
chenland und Anatolien. In Kombination mit der Vorderasiatischen Archäologie
ermöglichte dies eine Zusammenschau kultureller Entwicklungen von Südosteu-
ropa bis ins Iranische Hochland. Nachdem Hauptmann bereits im Sommersemes-
ter 1978 den durch den plötzlichen Tod Milojcics im Februar des gleichen Jahres
189
der zu überflutenden Gebieten Ostanatoliens zur Folge hatte. In der heutigen
Zeit, in der es in allen Landesteilen der Türkei zahlreiche internationale Ausgra-
bungsprojekte gibt, kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass die Resonanz
auf diesen Aufruf vergleichsweise verhalten ausfiel. Dies stand wohl damit in Zu-
sammenhang, dass der östliche Teil Anatoliens weit von den traditionellen geo-
graphischen Schwerpunkten der Fächer Vorderasiatische Archäologie, Klassische
Archäologie und Ur- und Frühgeschichte entfernt schien, so dass sich seinerzeit
wohl nur wenige Archäologen ein langfristiges Engagement in Form einer Groß-
grabung vorstellen konnten. Es ist das bleibende Verdienst Hauptmanns, die Be-
deutung der Gebiete am Oberlauf des Euphrats als einer wichtigen Drehscheibe
des kulturellen Austausches zwischen Transkaukasien, Ostanatolien und Nord-
syrien erkannt und sich engagiert an den Rettungsgrabungen beteiligt zu haben.
Mit dem Nor§untepe bei Elazig wählte er einen der größten Siedlungshügel des
vom Stausee bedrohten Gebiets aus und untersuchte ihn zwischen 1968 und 1974
im Rahmen eines Ausgrabungsprojekts. Im Rahmen der Ausgrabungen konnten
die Grundzüge der Siedlungsgeschichte des Ortes zwischen den ersten Ansätzen
von Urbanisierung während des späten Chalkolithikums im 4. Jahrtausend v. Chr.
und dem Ende der neuassyrischen und urartäischen Reiche im 6. Jahrhundert
v. Chr. geklärt werden. Diese und die späteren Ausgrabungen Hauptmanns wa-
ren wegen der beispielgebenden Qualität ihrer technischen Durchführung wahre
Ausbildungsstätten für Generationen von Archäologen und Archäologinnen, und
sie gaben Stoff für wissenschaftliche Analysen, aus denen zahlreiche Bände in der
den jeweiligen Orten gewidmeten Buchreihe „Archaeologica Euphratica“ hervor-
gegangen sind. Hauptmanns Engagement für die archäologische Erforschung Ost-
anatoliens fand weiteren Ausdruck in einer Monographie zur Archäologie Urartus
(W Kleiss und H. Hauptmann, Topographische Karte von Urartu - Verzeichnis der
Fundorte lind Bibliographie [Berlin 1976]), in welcher bedeutende Grundlagen für
die Auseinandersetzung mit den zu jener Zeit noch wenig bekannten Befestigun-
gen und anderen Monumenten des urartäischen Reiches gelegt wurden.
Von 1972 bis 1978 wirkte Hauptmann als Assistenzprofessor am Seminar für
Vorderasiatische Altertumskunde der Freien Universität Berlin, wo er 1978 habili-
tiert wurde und, meines Wissens als bisher einziger Archäologe in Deutschland, die
Venia Legendi für die beiden Fächer Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische
Archäologie erhielt. Genau in der Verbindung jener beiden Fächer spiegelt sich
Hauptmanns Vision von Archäologie. Den sich gewöhnlich auf Mitteleuropa kon-
zentrierenden Schwerpunkt des Faches Ur- und Frühgeschichte in Deutschland
empfand er als beengend und erweiterte ihn geographisch um den Balkan, Grie-
chenland und Anatolien. In Kombination mit der Vorderasiatischen Archäologie
ermöglichte dies eine Zusammenschau kultureller Entwicklungen von Südosteu-
ropa bis ins Iranische Hochland. Nachdem Hauptmann bereits im Sommersemes-
ter 1978 den durch den plötzlichen Tod Milojcics im Februar des gleichen Jahres
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