B. Die Mitglieder
fasste, dorthin zurückzukommen, lernte sie intensiv die schwierige Inkasprache
Quechua und baute schließlich für sich in dem Hauptort Charazani auf 3.200 m
Höhe ein kleines zweigeschossiges Haus, das sie immer bescheiden als ihre
„Hütte“ bezeichnete.
Von 1987 bis 2005 reiste Ina Rösing 24mal in die Apolobamba-Region. Für ih-
re Arbeit entwickelte sie die Technik der „Sprechenden Anthropologie“: Sie lern-
te die Eingeborenensprache so gründlich, dass sie keinen Dolmetscher brauchte.
Nicht die Beobachtungen der Forscherin sollten die Grundlage ihrer Berichte stel-
len, sondern die Aussagen der beforschten Personen selbst.
Auf diese Weise entdeckte Ina Rösing das Konzept der Opferschuld, das in
ihren Augen erklärte, warum die Andenreligion sich neben dem Christentum be-
hauptet hat. Außerdem fand sie, dass in Amarete nicht nur zwei, sondern zehn
Geschlechter mit weitreichenden Konsequenzen für Alltag und Ritual benutzt
werden.
Um ein vollständiges Bild der Eingeborenen zu entwickeln hatte Ina Rösing
immer ein Tonband und eine Kamera dabei. Sie war eine hervorragende Fotogra-
fin, die ihre Bücher stets mit vielen eigenen Fotos illustrierte. So produzierte sie
mehrere sehr ansprechende große Bildbände der Kallawaya-Region Boliviens.
Der Platzbedarf der später von ihr sorgfältig transkribierten Kassetten be-
trug beim Ende ihrer Feldarbeit in ihren Regalen viele Meter. Dazu kamen an die
40.000 Diapositive von Landschaften, Porträts und Ritualszenen. Dieses Bildma-
terial ließ sie schließlich professionell auf CDs komprimieren und digital regist-
rieren.
Ein zweites Forschungsgebiet von Ina Rösing war die Arbeitsweise der von
der ursprünglichen Bön-Religion bestimmten Schamanen, die ebenfalls in Kon-
kurrenz zu einer neueren Religion stattfindet, nämlich dem Buddhismus. Auch
hier handelt es sich um eine hochgelegene, abgeschlossene Region, in der solche
kulturellen Vorgänge langsamer ablaufen als in den Städten des Tieflandes und
somit besser studiert werden konnten. So studierte sie die Gebräuche der Scha-
manen in Ladakh, dem im Himalaja gelegenen Grenzgebiet zwischen Indien und
Tibet. Auch die Sprache der Ladakhi lernte sie so gut, dass sie die Übertragung der
schamanischen Gesänge ins Englische selbst überwachen konnte.
Über die wissenschaftlichen Ergebnisse ihrer Forschung in den beiden so
weit auseinanderliegenden Kulturen verfasste sie etwa 30 Bücher, von denen die
wichtigsten in deutscher, spanischer und englischer Sprache erschienen sind.
Zwei wichtige Beschlüsse hatte Ina Rösing schon vor ihrer Zeit bei den Kal-
lawaya-Indianern Boliviens gefasst: Zum einen strebte sie eine Ausbildung als Psy-
chotherapeutin an. Zum anderen wollte sie wie ihre Mutter Hochschullehrerin
werden.
Deshalb unterzog sie sich zunächst einer Psychoanalyse und absolvierte die
Therapieausbildung nach C. G.Jung. Für ihre Postdoktorandenzeit ging sie zu
214
fasste, dorthin zurückzukommen, lernte sie intensiv die schwierige Inkasprache
Quechua und baute schließlich für sich in dem Hauptort Charazani auf 3.200 m
Höhe ein kleines zweigeschossiges Haus, das sie immer bescheiden als ihre
„Hütte“ bezeichnete.
Von 1987 bis 2005 reiste Ina Rösing 24mal in die Apolobamba-Region. Für ih-
re Arbeit entwickelte sie die Technik der „Sprechenden Anthropologie“: Sie lern-
te die Eingeborenensprache so gründlich, dass sie keinen Dolmetscher brauchte.
Nicht die Beobachtungen der Forscherin sollten die Grundlage ihrer Berichte stel-
len, sondern die Aussagen der beforschten Personen selbst.
Auf diese Weise entdeckte Ina Rösing das Konzept der Opferschuld, das in
ihren Augen erklärte, warum die Andenreligion sich neben dem Christentum be-
hauptet hat. Außerdem fand sie, dass in Amarete nicht nur zwei, sondern zehn
Geschlechter mit weitreichenden Konsequenzen für Alltag und Ritual benutzt
werden.
Um ein vollständiges Bild der Eingeborenen zu entwickeln hatte Ina Rösing
immer ein Tonband und eine Kamera dabei. Sie war eine hervorragende Fotogra-
fin, die ihre Bücher stets mit vielen eigenen Fotos illustrierte. So produzierte sie
mehrere sehr ansprechende große Bildbände der Kallawaya-Region Boliviens.
Der Platzbedarf der später von ihr sorgfältig transkribierten Kassetten be-
trug beim Ende ihrer Feldarbeit in ihren Regalen viele Meter. Dazu kamen an die
40.000 Diapositive von Landschaften, Porträts und Ritualszenen. Dieses Bildma-
terial ließ sie schließlich professionell auf CDs komprimieren und digital regist-
rieren.
Ein zweites Forschungsgebiet von Ina Rösing war die Arbeitsweise der von
der ursprünglichen Bön-Religion bestimmten Schamanen, die ebenfalls in Kon-
kurrenz zu einer neueren Religion stattfindet, nämlich dem Buddhismus. Auch
hier handelt es sich um eine hochgelegene, abgeschlossene Region, in der solche
kulturellen Vorgänge langsamer ablaufen als in den Städten des Tieflandes und
somit besser studiert werden konnten. So studierte sie die Gebräuche der Scha-
manen in Ladakh, dem im Himalaja gelegenen Grenzgebiet zwischen Indien und
Tibet. Auch die Sprache der Ladakhi lernte sie so gut, dass sie die Übertragung der
schamanischen Gesänge ins Englische selbst überwachen konnte.
Über die wissenschaftlichen Ergebnisse ihrer Forschung in den beiden so
weit auseinanderliegenden Kulturen verfasste sie etwa 30 Bücher, von denen die
wichtigsten in deutscher, spanischer und englischer Sprache erschienen sind.
Zwei wichtige Beschlüsse hatte Ina Rösing schon vor ihrer Zeit bei den Kal-
lawaya-Indianern Boliviens gefasst: Zum einen strebte sie eine Ausbildung als Psy-
chotherapeutin an. Zum anderen wollte sie wie ihre Mutter Hochschullehrerin
werden.
Deshalb unterzog sie sich zunächst einer Psychoanalyse und absolvierte die
Therapieausbildung nach C. G.Jung. Für ihre Postdoktorandenzeit ging sie zu
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