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ANTRITTSREDEN
Variationslogiken zu verstehen, die den dogmatischen Entwicklungen und der Arbeit
an den „großen theologischen Themen“ zugrunde hegen.
Diese Vorgehensweise nötigte - schon in einer Zeit, in der man das kaum her-
vorhob - zu aufwändiger interdisziplinärer Kooperation.Vor 22 Jahren, noch als C2-
Professor in Tübingen, beteiligte ich mich, wie auch mein alttestamentlicher Kolle-
ge und Freund Bernd Janowski, an der Gründung des „Jahrbuchs für Biblische Theo-
logie“, das mit einem ökumenischen Herausgeberkreis exegetische, historische und
systematische Disziplinen verbindet und sich zu dem in der deutschsprachigen
Theologie akademisch wohl am besten besetzten Publikationsorgan entwickelte. Im
Frühjahr 1987 erhielt ich drei Rufe: nach Princeton, an die kanadische McMaster
Universität und nach Münster. Meine Frau und ich zogen nach Münster und beka-
men im biblischen Alter noch Zwillingstöchter; auch begann ich, relativ regelmäßig
eine Gastprofessur in Princeton wahrzunehmen. Drei Jahre später erhielt ich die
Nachricht, dass die hiesigen Kollegen mich ohne Bewerbung nach Heidelberg be-
rufen wollten. Seit 1991 bin ich hier an der Theologischen Fakultät tätig.
Ich habe mich einerseits mit theologischer, philosophischer und soziologischer
Theoriebildung besonders im deutschen und angelsächsischen Sprachraum im 19.
und 20. Jahrhundert beschäftigt. Studien zum Denken Hegels, Nietzsches,
Whiteheads, Luhmanns, Schleiermachers, Gogartens, Tillichs, Barths, Bonhoeffers
und zu einigen zeitgenössischen Autoren wurden publiziert. Besonders interessiert
hat mich in meiner Arbeit an Denkformen und Theorien die Herausforderung, wie
strukturiert-pluralistische Konfigurationen zu erfassen und gedanklich zu durch-
dringen sind — gegenüber der postmodernen weichen generalisierenden Rede von
„Differenz“ und „Relational!tät“, „Pluralität“ und „Pluralisierung“. Interdisziplinär
haben wir solche strukturiert-pluralistischen Ordnungs- und Organisationsformen
im jüdisch-christlichen Kanon, in der Ökumene, im modernen Wissenschaftssystem
und in spätmodernen Gesellschaften untersucht. Abstrakt und etwas verkürzt gespro-
chen, geht es um multisystemische Konfigurationen, die verbindende Orientie-
rungsbedürfnisse und gemeinsame Grenzsensibilitäten aufweisen. Vor allem mit
systemtheoretischen Denkformen haben wir diese strukturiert-pluralistischen Kon-
figurationen untersucht, die anspruchsvolle Formen von Ordnung und hohe Grade
von Freiheit kombinieren.
Andererseits habe ich inhaltlich-theologisch — und das war und ist mir der
weitaus wichtigere Forschungsbereich — über etliche der klassischen dogmatischen
Themen gearbeitet, fast immer im Dialog mit Exegeten und Historikern. Eine Kost-
probe meiner Arbeit an Fragen der Schöpfungslehre durfte ich Ihnen im vergange-
nen Jahr bieten (1). Besonders intensiv habe ich mich mit Fragen der Pneumatolo-
gie, der Lehre vom Heiligen Geist, befasst, ein lange kaum bearbeitetes Gebiet, das
über Jahrhunderte durch mächtige philosophische Denkfiguren systematisch verstellt
wurde (2). In der Christologie haben wir uns u.a. interdisziplinär mit der Frage
beschäftigt: Wenn die Auferstehung nicht eine physische Wiederbelebung ist, wie die
Fundamentalisten naiv und die Agnostiker spöttisch behaupten, welche Wirklichkeit
kommt ihr dann zu (3)? In der Eschatologie konnten wir, auch im Gespräch mit
Naturwissenschaftlern, religiöse Tiefenrationalitäten freilegen und die falsche Fixie-
ANTRITTSREDEN
Variationslogiken zu verstehen, die den dogmatischen Entwicklungen und der Arbeit
an den „großen theologischen Themen“ zugrunde hegen.
Diese Vorgehensweise nötigte - schon in einer Zeit, in der man das kaum her-
vorhob - zu aufwändiger interdisziplinärer Kooperation.Vor 22 Jahren, noch als C2-
Professor in Tübingen, beteiligte ich mich, wie auch mein alttestamentlicher Kolle-
ge und Freund Bernd Janowski, an der Gründung des „Jahrbuchs für Biblische Theo-
logie“, das mit einem ökumenischen Herausgeberkreis exegetische, historische und
systematische Disziplinen verbindet und sich zu dem in der deutschsprachigen
Theologie akademisch wohl am besten besetzten Publikationsorgan entwickelte. Im
Frühjahr 1987 erhielt ich drei Rufe: nach Princeton, an die kanadische McMaster
Universität und nach Münster. Meine Frau und ich zogen nach Münster und beka-
men im biblischen Alter noch Zwillingstöchter; auch begann ich, relativ regelmäßig
eine Gastprofessur in Princeton wahrzunehmen. Drei Jahre später erhielt ich die
Nachricht, dass die hiesigen Kollegen mich ohne Bewerbung nach Heidelberg be-
rufen wollten. Seit 1991 bin ich hier an der Theologischen Fakultät tätig.
Ich habe mich einerseits mit theologischer, philosophischer und soziologischer
Theoriebildung besonders im deutschen und angelsächsischen Sprachraum im 19.
und 20. Jahrhundert beschäftigt. Studien zum Denken Hegels, Nietzsches,
Whiteheads, Luhmanns, Schleiermachers, Gogartens, Tillichs, Barths, Bonhoeffers
und zu einigen zeitgenössischen Autoren wurden publiziert. Besonders interessiert
hat mich in meiner Arbeit an Denkformen und Theorien die Herausforderung, wie
strukturiert-pluralistische Konfigurationen zu erfassen und gedanklich zu durch-
dringen sind — gegenüber der postmodernen weichen generalisierenden Rede von
„Differenz“ und „Relational!tät“, „Pluralität“ und „Pluralisierung“. Interdisziplinär
haben wir solche strukturiert-pluralistischen Ordnungs- und Organisationsformen
im jüdisch-christlichen Kanon, in der Ökumene, im modernen Wissenschaftssystem
und in spätmodernen Gesellschaften untersucht. Abstrakt und etwas verkürzt gespro-
chen, geht es um multisystemische Konfigurationen, die verbindende Orientie-
rungsbedürfnisse und gemeinsame Grenzsensibilitäten aufweisen. Vor allem mit
systemtheoretischen Denkformen haben wir diese strukturiert-pluralistischen Kon-
figurationen untersucht, die anspruchsvolle Formen von Ordnung und hohe Grade
von Freiheit kombinieren.
Andererseits habe ich inhaltlich-theologisch — und das war und ist mir der
weitaus wichtigere Forschungsbereich — über etliche der klassischen dogmatischen
Themen gearbeitet, fast immer im Dialog mit Exegeten und Historikern. Eine Kost-
probe meiner Arbeit an Fragen der Schöpfungslehre durfte ich Ihnen im vergange-
nen Jahr bieten (1). Besonders intensiv habe ich mich mit Fragen der Pneumatolo-
gie, der Lehre vom Heiligen Geist, befasst, ein lange kaum bearbeitetes Gebiet, das
über Jahrhunderte durch mächtige philosophische Denkfiguren systematisch verstellt
wurde (2). In der Christologie haben wir uns u.a. interdisziplinär mit der Frage
beschäftigt: Wenn die Auferstehung nicht eine physische Wiederbelebung ist, wie die
Fundamentalisten naiv und die Agnostiker spöttisch behaupten, welche Wirklichkeit
kommt ihr dann zu (3)? In der Eschatologie konnten wir, auch im Gespräch mit
Naturwissenschaftlern, religiöse Tiefenrationalitäten freilegen und die falsche Fixie-