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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2018 — 2019

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A. Das akademische Jahr 2018
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III. Veranstaltungen
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Böhme, Hartmut: Zufall in der Geschichte – Geschichte des Zufalls
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https://doi.org/10.11588/diglit.55650#0116
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III. Veranstaltungen

Das Plus ultra wird zum Emblem der Geopolitik von Karl V von Spanien, z. B. im
Relief am königlichen Reales Alcäzares de Sevilla, und wird schließlich bis heu-
te zum Motto auf dem Wappen Spaniens, (Rosenthal 1971, 204 — 228). Plus ultra
ist die moderne Losung der Fortuna, für die Dynamik der Raumexpansion, des
Wissens, der Macht und des Kapitals. Mit dem Plus ultra beginnt die Moderne
in der ozeanischen Dimension, beruhend nicht auf dem traditionellen Herrscher,
sondern dem Seehandel betreibenden Entrepreneur, dem Abenteurer und Risiko-
spieler. Das Zeitalter der Transgressionen hat begonnen.
Man kann dies ablesen an dem Frontispiz der englischen Übersetzung von John
Seldens (1584—1654) Werk Mare clausum seu de Dominio Maris von 1635.5 (Abb. 6) Es
ist die imperiale Antwort auf den Begründer des internationalen Seerechts, des Frei-
handels und des freien Meeres, Hugo Grotius, und auf sein sofort indiziertes Buch
Mare liberum (zuerst lat. 1609).6 Die von segnenden Himmelsstrahlen hinterfangene
Res publica Angliae posiert, römisch stilisiert, triumphierend auf einem altarartigen
Felsen im Meer, Waffen und Standarten (der besiegten Länder Wales, Schottland
und Irland), die Kronen letzterer ihr zu Füßen, eine Sphinx auf dem Helm, die Sieg
und Frieden bringende Nike in der Linken. Der Anglia huldigen Neptun und seine
Attributfiguren. Ein Triton bläst auf einem Muschclhorn den Triumph der engli-
schen Staatsmacht über den Weltkreis. Schiffe im Hintergrund markieren Englands
Herrschaft, die ganz so, wie die Römer das Meer mare nostrum nannten, nun das
Weltmeer zum mare clausum erklärt. Im Widmungs-Gedicht, der panegyrischen Ode
„Neptune to the Common-Wealth of England“ (1794 von Joseph Haydn vertont),
spricht Neptun dem Staat Britannia das Dominium über die See zu.
Nicht nur in Shakespeares „The Merchant of Venice“ kann man die Transfor-
mation der Fortuna in Zufall und Risikoabwägung studieren (Vgl. Reichert 1985;
Wolf 2013). Machiavelli, dessen politisches Denken stark von Fortuna-Semantiken
erfüllt ist, rät dem Fürsten, die Fortuna nicht zu fürchten, sondern sie zu prügeln wie
ein Weib, das, „um es sich unterwürfig zu halten, geschlagen und bestürmt sein will,
und man bemerkt, daß es sich eher von Solchen bezwingen läßt, als von Denen, die
kalt verfahren.“ (Machiavelli 1990, 120; Münkler 1984, 309; Leeker 1989, 407 — 432).
Das kommt einem gewaltsamen Exorzismus der Fortuna gleich, an deren Stelle die
politischen Kalküle und Risikoabwägungen des Fürsten, aber auch des Kaufmanns

5 Die lateinische Erstausgabe wurde 1652 ins Englische übersetzt: Seiden, John (1652): Ma-
re Clausum. Of the Dominion, or, Ownership of the Sea. London: William Du-Gard (repr.
2004). - Vgl. Davies 2017, insbesondere Kap. 8: The Sovereignty of the Sea, S. 151 — 171, und
Kap. 9: The Dominion of the Ocean, S. 172 — 191; über John Seiden: S. 155 ff. (Der engli-
schen Übersetzung von Marchamont Nedham fehlte 1652 der Titel „Mare Clausum“, den
Samuel Pepys, der spätere Staatssekretär im Marineamt, sogleich in roter Tinte hinzusetzte).
6 Grotius, Hugo (1618): Mare liberum, sive de iure, quod Batavis competit ad Indicana Com-
mercia, dissertatio. Lugduni Batavorum (= Leiden): Elzevoirius. - Vgl. ders. (1919): Von der
Freiheit des Meeres. Übers, u. mit e. Einl. vers. von Richard Boschan. Leipzig: Meiner.

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