Antrittsrede von Ute Mager
gaben. Schon nach einem Semester konnte ich dann aber an den Lehrstuhl von
meinem Doktor- und Habilitationsvater Philip Kunig wechseln, wo ich von An-
fang an die Freiheit und Freude eigenständigen wissenschaftlichen Arbeitens in
Forschung und Lehre erleben durfte. Ihm ist es zu verdanken, dass ich die wissen-
schaftliche Laufbahn einschlug, denn er ermunterte und ermutigte mich, diesen
Weg zu gehen und bot mir nach der Promotion eine Habilitationsstelle an.
Doch noch einmal zurück zur Promotionsphase: Nach dem Referendariat
war klar, dass das Thema meiner Doktorarbeit aus dem Bereich des öffentlichen
Rechts kommen sollte. Ich fand mein Thema durch eine Urteilsbesprechung.
Es ging um die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung
der Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten, mit anderen Worten, um die Frage,
wie sich Änderungen der Sach- oder Rechtslage im Verwaltungsprozess auf die
Beurteilung der Rechtmäßigkeit des umstrittenen Verwaltungsakts auswirken;
eine Frage, von deren Beantwortung Erfolg oder Misserfolg der Klage abhängt.
Das Thema klingt sehr technisch, führt aber zu verwaltungsrechtlichen Grund-
lagen. Es gibt eine Faustregel von statistischer Evidenz, wonach es auf die jewei-
lige Klageart ankommen soll, d. h. Anfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung
eines belastenden Verwaltungsakts - dann Maßgeblichkeit der Behördenentschei-
dung - oder Verpflichtungsklage mit dem Ziel des Erlasses eines begünstigenden
Verwaltungsakts - dann Maßgeblichkeit der gerichtlichen Entscheidung. Hiervon
bestanden und bestehen jedoch zahlreiche Ausnahmen. Das Bundesverwaltungs-
gericht stellte in der besprochenen Entscheidung dann auch fest, dass gerade nicht
das Prozessrecht, sondern das materielle Recht für die Bestimmung des Beurtei-
lungszeitpunkts maßgeblich sei, ohne dies aber näher zu spezifizieren. Die Frage,
die sich daraus ergab, war: Was heißt Maßgeblichkeit des materiellen Rechts?
Diese Frage habe ich also untersucht und man kann daran recht gut zeigen, was
Rechtswissenschaft in Gestalt der Rechtsdogmatik bedeutet. Weil ich vor allem
rechtsdogmatisch arbeite, möchte ich Ihnen in aller Kürze erläutern, was in der
Rechtswissenschaft heute unter Rechtsdogmatik verstanden wird, und es Ihnen
am Beispiel meiner Dissertation veranschaulichen.
Die Rechtswissenschaft vereinigt in sich verschiedene Disziplinen. Sie um-
fasst die Grundlagenfächer Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie einschließ-
lich Rechtstheorie sowie Rechtssoziologie und eben die Rechtsdogmatik, die in
Deutschland von den meisten Kolleginnen und Kollegen betrieben wird. Die
Rechtsdogmatik befasst sich mit dem geltenden Recht, wozu sie durchaus Er-
kenntnisse und Methoden der Grundlagenfächer heranzicht. Ihre Aufgabe ist die
Systematisierung, die Bewahrung und Herstellung von Kohärenz im geltenden
Recht. Auf der Ebene der Rechtsanwendung, also in der Praxis, wozu wir bereits
im Studium anleiten, bedeutet rechtsdogmatisches Arbeiten die methodengelei-
tete Auslegung der Gesetze im Abgleich mit den bereits entschiedenen Fällen.
Die gängigen Auslegungsmethoden sind die Wortlautgrenze, die Gesetzessys-
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gaben. Schon nach einem Semester konnte ich dann aber an den Lehrstuhl von
meinem Doktor- und Habilitationsvater Philip Kunig wechseln, wo ich von An-
fang an die Freiheit und Freude eigenständigen wissenschaftlichen Arbeitens in
Forschung und Lehre erleben durfte. Ihm ist es zu verdanken, dass ich die wissen-
schaftliche Laufbahn einschlug, denn er ermunterte und ermutigte mich, diesen
Weg zu gehen und bot mir nach der Promotion eine Habilitationsstelle an.
Doch noch einmal zurück zur Promotionsphase: Nach dem Referendariat
war klar, dass das Thema meiner Doktorarbeit aus dem Bereich des öffentlichen
Rechts kommen sollte. Ich fand mein Thema durch eine Urteilsbesprechung.
Es ging um die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung
der Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten, mit anderen Worten, um die Frage,
wie sich Änderungen der Sach- oder Rechtslage im Verwaltungsprozess auf die
Beurteilung der Rechtmäßigkeit des umstrittenen Verwaltungsakts auswirken;
eine Frage, von deren Beantwortung Erfolg oder Misserfolg der Klage abhängt.
Das Thema klingt sehr technisch, führt aber zu verwaltungsrechtlichen Grund-
lagen. Es gibt eine Faustregel von statistischer Evidenz, wonach es auf die jewei-
lige Klageart ankommen soll, d. h. Anfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung
eines belastenden Verwaltungsakts - dann Maßgeblichkeit der Behördenentschei-
dung - oder Verpflichtungsklage mit dem Ziel des Erlasses eines begünstigenden
Verwaltungsakts - dann Maßgeblichkeit der gerichtlichen Entscheidung. Hiervon
bestanden und bestehen jedoch zahlreiche Ausnahmen. Das Bundesverwaltungs-
gericht stellte in der besprochenen Entscheidung dann auch fest, dass gerade nicht
das Prozessrecht, sondern das materielle Recht für die Bestimmung des Beurtei-
lungszeitpunkts maßgeblich sei, ohne dies aber näher zu spezifizieren. Die Frage,
die sich daraus ergab, war: Was heißt Maßgeblichkeit des materiellen Rechts?
Diese Frage habe ich also untersucht und man kann daran recht gut zeigen, was
Rechtswissenschaft in Gestalt der Rechtsdogmatik bedeutet. Weil ich vor allem
rechtsdogmatisch arbeite, möchte ich Ihnen in aller Kürze erläutern, was in der
Rechtswissenschaft heute unter Rechtsdogmatik verstanden wird, und es Ihnen
am Beispiel meiner Dissertation veranschaulichen.
Die Rechtswissenschaft vereinigt in sich verschiedene Disziplinen. Sie um-
fasst die Grundlagenfächer Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie einschließ-
lich Rechtstheorie sowie Rechtssoziologie und eben die Rechtsdogmatik, die in
Deutschland von den meisten Kolleginnen und Kollegen betrieben wird. Die
Rechtsdogmatik befasst sich mit dem geltenden Recht, wozu sie durchaus Er-
kenntnisse und Methoden der Grundlagenfächer heranzicht. Ihre Aufgabe ist die
Systematisierung, die Bewahrung und Herstellung von Kohärenz im geltenden
Recht. Auf der Ebene der Rechtsanwendung, also in der Praxis, wozu wir bereits
im Studium anleiten, bedeutet rechtsdogmatisches Arbeiten die methodengelei-
tete Auslegung der Gesetze im Abgleich mit den bereits entschiedenen Fällen.
Die gängigen Auslegungsmethoden sind die Wortlautgrenze, die Gesetzessys-
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