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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2018 — 2019

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B. Die Mitglieder
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I. Antrittsreden
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Mager, Ute: Antrittsrede vom 28. April 2018
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https://doi.org/10.11588/diglit.55650#0147
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Antrittsrede von Ute Mager

Arbeiten also, ob neue Fälle, Verhältnisse oder Normen innerhalb des relevanten
Teilsystems des Rechts im Wesentlichen gleich oder eben doch in relevanter Weise
anders sind und deshalb einer Neubewertung und demzufolge einer Fortentwick-
lung oder Veränderung der Dogmatik bedürfen.
Eben diese Arbeit der Herstellung von Kohärenz, von Stimmigkeit in einem
System macht mir Freude. So ist meine Habilitationsschrift einer Rechtsfigur ge-
widmet, die unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung entstanden, aber
schon damals unscharf war, den Einrichtungsgarantien; eine rechtsdogmatische
Figur, die unter den grundlegend veränderten Prämissen des Grundgesetzes ein-
fach weitergeführt wurde und jegliche Kontur verloren hatte. Auch hier war das
Ziel eine Neusystematisierung. Ich erspare Ihnen Details. Nur so viel: Diese
Arbeit hat mich über die Untersuchung der ideengeschichtlichen Hintergründe
der Rechtsfigur auch in die Rechtsgeschichte bis zur Historischen Rechtsschule
und in die französische Rechtstheorie des 19. Jahrhunderts geführt und damit
geleistet, was eine Habilitation in den Fächern der Geisteswissenschaft vor allem
auch leisten soll: die Erweiterung und Vertiefung der eigenen wissenschaftlichen
Bildung.
Als ich mich dann nach Abschluss meiner Habilitation im Jahr 2002 begann,
auf Professuren zu bewerben, befanden sich eine große Anzahl von Kollegen und
auch einige Kolleginnen in der gleichen Situation. Das öffentliche Recht hatte über
den Bedarf hinaus Nachwuchs hervorgebracht. Die Goldgräberzeit der 90er Jahre,
die durch die Wiedervereinigung auch und gerade in der Rechtswissenschaft be-
stand, war vorbei. Nach Lehrstuhlvertretungen in Mainz und Bielefeld ereignete
sich dann der große Glücksfall, dass ich den Ruf auf die Professur für Öffentliches
Recht an der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg erhielt.
Seither bietet mir die Universität Heidelberg einen hervorragenden Rahmen
für meine rechtsdogmatische Arbeit, aber darüber hinaus auch und gerade für viel-
fältige Möglichkeiten des Zusammenwirkens mit anderen Disziplinen.
Insbesondere mein erstes Studienjahr im Marsilius-Kolleg 2009 — 2010 hat
mich mit den Herausforderungen konfrontiert, die sich aus der Zusammenarbeit
mit Naturwissenschaftlern ergeben. Diese bestehen meines Erachtens vor allem
darin, dass es zwischen der Rechtswissenschaft und den Naturwissenschaften -
vielleicht allein mit Ausnahme der seinsbezogenen Rechtssoziologie - keinerlei
Überschneidungen hinsichtlich der Methoden gibt und kategorial nicht geben
kann.
Gegenstand der Rechtswissenschaft ist das Sollen, Dürfen, Müssen. Der Ge-
genstand der Naturwissenschaften ist dagegen das Sein. Dürfen, Müssen, Sollen
setzen zwingend Können voraus. Recht kann nicht Unmögliches, sondern nur
Mögliches gebieten und vor allem auch verbieten. Gerade weil es nur Mögliches
gebieten kann, muss die Rechtswissenschaft zunächst einmal dem zugrunde-
liegenden tatsächlichen Sachverhalt gerecht werden, sie muss sachgerecht sein.

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