Nachruf auf Christian Habicht
Hier reifte er definitiv zu dem Wissenschaftler, als der er hinfort über Jahrzehnte
sein Fach mit einer besonderen Ausrichtung gestaltet hat.
Entscheidend war nämlich, dass er die Texte nicht nur auf überzeugende und
gültige Weise vorlegte und kommentierte. Es gelang ihm auch, sie in besonderer
Weise zum Sprechen zu bringen, wozu ihm seine souveräne Kenntnis besonders
der hellenistischen Geschichte zugute kam, er aber zugleich seine Kapazitäten
mehr und mehr erweiterte. Epigraphik in dieser Weise als Grundlagenforschung,
teilweise wie ein Pionier zu betreiben, setzt nämlich nicht nur Vertrautheit mit der
Geschichte der großen Politik oder der Verfassung voraus, sondern führt auch tief
hinein in die vielen Details der Wirtschafts-, Gesellschafts- und Kulturgeschichte.
In der editio princeps eines zuvor unbekannten Textes kann man sich, will man nach
den Regeln der Kunst verfahren, um nichts herumdrücken. Habicht aber leistete
noch mehr, weil er die gerade erst erschlossenen Quellen in einen historischen
Zusammenhang stellte. Gerade hierin sah auch er selber die beste Möglichkeit, auf
dem alten Gebiet der Alten Geschichte Neues zu gewinnen.
Das bewies er zunächst bei der erstmaligen Vorlage von samischen Volksbe-
schlüssen, die, wie er erkannte, zu einem größeren Ensemble gehörten und im
Wesentlichen in die Zeit der Wiedergewinnung der staatlichen Integrität in Fol-
ge des Verbanntendekret Alexanders des Großen (324) bzw. in die Zeit nach der
Rückkehr der samischen Exilanten (322) fallen. Damit machte er ein Stück grie-
chischer Regionalgeschichte in ihrer Verquickung mit der großen Politik sichtbar,
und zugleich konnte er die Rolle von politischen und persönlichen Konnexionen
herausstellen. Mit diesem epigraphisch-historischen Meisterstück („Samische
Volksbeschlüsse der hellenistischen Zeit“) habilitierte er sich 1959 in Hamburg,
wo er seit 1956 als Wissenschaftlicher Assistent tätig war, bevor er 1960/61 als
Wissenschaftlicher Referent am Deutschen Archäologischen Institut in Athen ar-
beitete. Dies gab ihm erneut Gelegenheit, seine Studien vor Ort und in strenger
Autopsie voranzutreiben.
Eine größere Frucht dieser und späterer Forschungen war die Vorlage der In-
schriften aus dem Asklepieion in Pergamon (Altertümer von Pergamon 8,3,1969).
Diese führte vor allem in eine ganz andere Epoche, die Römische Kaiserzeit, in
der nicht nur die Stadt Pergamon selber eine Blütezeit erlebte, sondern auch das
Heiligtum des Gottes ein besonderes medizinisches Zentrum bildete, das viele
Menschen anzog. Habicht ließ dessen Gestalt, besonders für die Zeit des Kaisers
Hadrian, geradezu lebendig werden. Über diese beiden größeren Werke hinaus hat
er aber auch immer wieder in zahlreichen Einzeleditionen und -beiträgen wich-
tige Ergebnisse geliefert, vor allem zu Inschriften aus Athen, Thessalien, beson-
ders Demetrias, und Kos. Erinnert sei nur an seine bündige Erkenntnis, dass das
sogenannte Themistokles-Dekret von Troizen nicht in die Zeit der Schlacht von
Salamis (480) gehört, sonder ein späteres Produkt des 4. Jahrhunderts darstellt.
Feinsinnige Analysen sprachlich-rhetorischer Details und Wissen um den histori-
195
Hier reifte er definitiv zu dem Wissenschaftler, als der er hinfort über Jahrzehnte
sein Fach mit einer besonderen Ausrichtung gestaltet hat.
Entscheidend war nämlich, dass er die Texte nicht nur auf überzeugende und
gültige Weise vorlegte und kommentierte. Es gelang ihm auch, sie in besonderer
Weise zum Sprechen zu bringen, wozu ihm seine souveräne Kenntnis besonders
der hellenistischen Geschichte zugute kam, er aber zugleich seine Kapazitäten
mehr und mehr erweiterte. Epigraphik in dieser Weise als Grundlagenforschung,
teilweise wie ein Pionier zu betreiben, setzt nämlich nicht nur Vertrautheit mit der
Geschichte der großen Politik oder der Verfassung voraus, sondern führt auch tief
hinein in die vielen Details der Wirtschafts-, Gesellschafts- und Kulturgeschichte.
In der editio princeps eines zuvor unbekannten Textes kann man sich, will man nach
den Regeln der Kunst verfahren, um nichts herumdrücken. Habicht aber leistete
noch mehr, weil er die gerade erst erschlossenen Quellen in einen historischen
Zusammenhang stellte. Gerade hierin sah auch er selber die beste Möglichkeit, auf
dem alten Gebiet der Alten Geschichte Neues zu gewinnen.
Das bewies er zunächst bei der erstmaligen Vorlage von samischen Volksbe-
schlüssen, die, wie er erkannte, zu einem größeren Ensemble gehörten und im
Wesentlichen in die Zeit der Wiedergewinnung der staatlichen Integrität in Fol-
ge des Verbanntendekret Alexanders des Großen (324) bzw. in die Zeit nach der
Rückkehr der samischen Exilanten (322) fallen. Damit machte er ein Stück grie-
chischer Regionalgeschichte in ihrer Verquickung mit der großen Politik sichtbar,
und zugleich konnte er die Rolle von politischen und persönlichen Konnexionen
herausstellen. Mit diesem epigraphisch-historischen Meisterstück („Samische
Volksbeschlüsse der hellenistischen Zeit“) habilitierte er sich 1959 in Hamburg,
wo er seit 1956 als Wissenschaftlicher Assistent tätig war, bevor er 1960/61 als
Wissenschaftlicher Referent am Deutschen Archäologischen Institut in Athen ar-
beitete. Dies gab ihm erneut Gelegenheit, seine Studien vor Ort und in strenger
Autopsie voranzutreiben.
Eine größere Frucht dieser und späterer Forschungen war die Vorlage der In-
schriften aus dem Asklepieion in Pergamon (Altertümer von Pergamon 8,3,1969).
Diese führte vor allem in eine ganz andere Epoche, die Römische Kaiserzeit, in
der nicht nur die Stadt Pergamon selber eine Blütezeit erlebte, sondern auch das
Heiligtum des Gottes ein besonderes medizinisches Zentrum bildete, das viele
Menschen anzog. Habicht ließ dessen Gestalt, besonders für die Zeit des Kaisers
Hadrian, geradezu lebendig werden. Über diese beiden größeren Werke hinaus hat
er aber auch immer wieder in zahlreichen Einzeleditionen und -beiträgen wich-
tige Ergebnisse geliefert, vor allem zu Inschriften aus Athen, Thessalien, beson-
ders Demetrias, und Kos. Erinnert sei nur an seine bündige Erkenntnis, dass das
sogenannte Themistokles-Dekret von Troizen nicht in die Zeit der Schlacht von
Salamis (480) gehört, sonder ein späteres Produkt des 4. Jahrhunderts darstellt.
Feinsinnige Analysen sprachlich-rhetorischer Details und Wissen um den histori-
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