2. Wörterbuch der altgaskognischen Urkundensprache (DAG)
schäftigten, in ihren unterschiedlichen Ausprägungen zur wichtigen Berufsgrup-
pe: escriva jurad «scribe qui a prete le serment qu’exigeait sa Corporation» (ab 1257),
scriba public «scribe public (au Service du public, par opp. ä celui qui est au Service
d’un seigneur)» 1270, escrivan de la uila (ab 1249), scrivan de la Comunia (ab 1262)
«scribe communal», escrivian de le cort «scribe de la cour» (1273) (allesamt Neubelege
sub „redacteur d’un document, copiste, scribe“ 2604). In Kopistenhänden konn-
te das Material bei der Abschrift zu „innovativen“ Ergebnissen führen. Sprachli-
che Flexibilität wie auch Adaptation eines Textes an neue Gegebenheiten waren
gefordert. Ein Schreiber, der z. B. nach einer Vorlage einer entfernt liegenden
Kanzleinorm arbeitete, sah sich dialektalen Problemen und Unverständlichkeiten
gegenüber, die ihn in der Abschrift zum „Improvisieren“ zwangen. Wenn auch
seine Tätigkeit Veränderungen des Textes wie Verkürzungen, Tilgungen, Über-
tragungen in andere Anschauungswelten mit einschließen konnte, ein bewusstes
Verfälschen oder Abändern lag keineswegs in seiner Absicht. Zuweilen schlichen
sich dennoch Kopistenfehler ein, die wiederum eine Quelle neuer Fehler werden
konnten. So sorgte in Schreiberkreisen aus Bordeaux das gaskognische Wort für
Schrift-, Gesetzesrolle (rolle mask.) für Verwirrung. Das gaskognische sprachliche
Merkmal, das dem initialen r- ein a- zur Stütze voranstellt (arolle m.), führte beim
Zusammentreffen mit dem vorausgehenden Artikel (l’arolle) bei manchen Kopis-
ten zu einer deglutinierten Form im Femininum (la rolle) und wurde schließlich
sogar mit femininer Endung (la rolla) versehen, was dann auch auf eine mögliche
mündliche Realität schließen lässt (Belege ab 1261 sub „röle“ 2634).
Arbeit mit und am Text lässt sich für die mittelalterliche Sprachwerkstatt an-
hand der gaskognischen Scripta in überraschender Dichte nachweisen (besonders
gekennzeichnet sind Ergänzungen der einschlägigen Wörterbücher um Vordatie-
rungen (*) und - sehr häufig - um Neuerhebungen für Altgaskognisch (**))i eini-
ge Beispiele: agask. test** «texte» (ab ca. 1175); corrompiment** (1253), corrupcion**
(1291) «alteration de l’integrite d’un texte»; cancelar «annuler un document, un ecrit
par des ratures, biffer» (1295); effassar** «faire disparaitre en raturant, en corrigeant;
rendre moins net (par le temps), effacer» 1298; ras (ab 1264), esponsad** (13. Jh.)
«rature»; rasure «rature sur le texte d’une charte, passage gratte» (ab 1260); linha*
«ligne d’ecriture» (1295), regio «ligne tiree avec la regle sur le papier, sur le parche-
min» (1260), enterlinhad* «qui contient des additions entre les lignes (acte, charte),
interligne» (13. Jh.); enterlinh** (13. Jh.), enterliniadure (1260) «ce qui est ecrit, ajou-
te entre les lignes»; abreuyada** «abreviation» (1295).
Frühzeitig und zahlreich belegt ist eine juristische Gepflogenheit im Zusam-
menhang mit der Ausfertigung von Urkunden zur Verifizierung ihrer Echtheit.
Bei diesen Chirographen - deutsch auch „Kerbbrief“ - handelt es sich um durch-
schnittene Urkunden, deren Einzelteile zum Beweis der Echtheit zusammenpas-
sen müssen (in deutschen Rechtstexten bei DRW online sub „A-B-C“ ab 1413
dokumentiert). Dazu bediente man sich - in der Gaskogne - der Buchstabenfolge
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schäftigten, in ihren unterschiedlichen Ausprägungen zur wichtigen Berufsgrup-
pe: escriva jurad «scribe qui a prete le serment qu’exigeait sa Corporation» (ab 1257),
scriba public «scribe public (au Service du public, par opp. ä celui qui est au Service
d’un seigneur)» 1270, escrivan de la uila (ab 1249), scrivan de la Comunia (ab 1262)
«scribe communal», escrivian de le cort «scribe de la cour» (1273) (allesamt Neubelege
sub „redacteur d’un document, copiste, scribe“ 2604). In Kopistenhänden konn-
te das Material bei der Abschrift zu „innovativen“ Ergebnissen führen. Sprachli-
che Flexibilität wie auch Adaptation eines Textes an neue Gegebenheiten waren
gefordert. Ein Schreiber, der z. B. nach einer Vorlage einer entfernt liegenden
Kanzleinorm arbeitete, sah sich dialektalen Problemen und Unverständlichkeiten
gegenüber, die ihn in der Abschrift zum „Improvisieren“ zwangen. Wenn auch
seine Tätigkeit Veränderungen des Textes wie Verkürzungen, Tilgungen, Über-
tragungen in andere Anschauungswelten mit einschließen konnte, ein bewusstes
Verfälschen oder Abändern lag keineswegs in seiner Absicht. Zuweilen schlichen
sich dennoch Kopistenfehler ein, die wiederum eine Quelle neuer Fehler werden
konnten. So sorgte in Schreiberkreisen aus Bordeaux das gaskognische Wort für
Schrift-, Gesetzesrolle (rolle mask.) für Verwirrung. Das gaskognische sprachliche
Merkmal, das dem initialen r- ein a- zur Stütze voranstellt (arolle m.), führte beim
Zusammentreffen mit dem vorausgehenden Artikel (l’arolle) bei manchen Kopis-
ten zu einer deglutinierten Form im Femininum (la rolle) und wurde schließlich
sogar mit femininer Endung (la rolla) versehen, was dann auch auf eine mögliche
mündliche Realität schließen lässt (Belege ab 1261 sub „röle“ 2634).
Arbeit mit und am Text lässt sich für die mittelalterliche Sprachwerkstatt an-
hand der gaskognischen Scripta in überraschender Dichte nachweisen (besonders
gekennzeichnet sind Ergänzungen der einschlägigen Wörterbücher um Vordatie-
rungen (*) und - sehr häufig - um Neuerhebungen für Altgaskognisch (**))i eini-
ge Beispiele: agask. test** «texte» (ab ca. 1175); corrompiment** (1253), corrupcion**
(1291) «alteration de l’integrite d’un texte»; cancelar «annuler un document, un ecrit
par des ratures, biffer» (1295); effassar** «faire disparaitre en raturant, en corrigeant;
rendre moins net (par le temps), effacer» 1298; ras (ab 1264), esponsad** (13. Jh.)
«rature»; rasure «rature sur le texte d’une charte, passage gratte» (ab 1260); linha*
«ligne d’ecriture» (1295), regio «ligne tiree avec la regle sur le papier, sur le parche-
min» (1260), enterlinhad* «qui contient des additions entre les lignes (acte, charte),
interligne» (13. Jh.); enterlinh** (13. Jh.), enterliniadure (1260) «ce qui est ecrit, ajou-
te entre les lignes»; abreuyada** «abreviation» (1295).
Frühzeitig und zahlreich belegt ist eine juristische Gepflogenheit im Zusam-
menhang mit der Ausfertigung von Urkunden zur Verifizierung ihrer Echtheit.
Bei diesen Chirographen - deutsch auch „Kerbbrief“ - handelt es sich um durch-
schnittene Urkunden, deren Einzelteile zum Beweis der Echtheit zusammenpas-
sen müssen (in deutschen Rechtstexten bei DRW online sub „A-B-C“ ab 1413
dokumentiert). Dazu bediente man sich - in der Gaskogne - der Buchstabenfolge
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