Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2018 — 2019

DOI chapter:
D. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
DOI chapter:
II. Das WIN-Kolleg
DOI chapter:
Sechster Forschungsschwerpunkt „Messen und Verstehen der Welt durch die Wissenschaft“
DOI chapter:
9. „Working Numbers“: Science and Contemporary Politics
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55650#0366
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
9. „Working Numbers“ (WIN-Programm)

senschaft sein mag, Zahlen und Quantifizierungen in Relation zu wirtschaftli-
chen, sozialen und/oder kulturellen Rahmenbedingungen zu setzen: Für den
Bereich der Öffentlichkeit und insbesondere der Politik kann ein Bewusstsein
für die Notwendigkeit von Kontextualisierung bislang noch nicht in hinreichen-
dem Maße konstatiert werden. Dementsprechend gilt es, unter allen am politi-
schen Entscheidungsprozess Beteiligten aktiv dafür zu werben, (selbst-)kritischer
als bislang an Zahlen und Statistik heranzugehen. Dabei muss deutlich gemacht
werden, dass jedwede Zahl - seien es Prozentsätze oder Rankingplatzierungen -
immer in ihrem Entstehungs-, Verarbeitungs- und Verwendungskontext zu be-
trachten ist.
2. Zahlen müssen stets interpretiert werden: Zahlen sind ein wichtiges Instrument
des „Transfers“ und der „Übersetzung“. Beispielsweise können sie dazu genutzt
werden, Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Forschung in den politischen
Diskurs oder gar unmittelbar in den Gesetzgebungsprozess zu übertragen. Da-
mit sind allerdings nicht unerhebliche Herausforderungen verbunden. So ist es
irreführend zu glauben, dass selbst die wissenschaftlich fundiertesten Zahlen per
se unverrückbare „Tatsachen“ darstellen und grundsätzlich beziehungsweise dau-
erhaft als „neutral“ oder „objektiv“ anzusehen sind. Wie bei jedem Kommunikati-
onsmittel erfordern auch Zahlen eine gewissenhafte „Interpretation“.
3. Die Landkarte ist nicht die Landschaft: Quantifizierungen lassen sich als eine
Landkarte verstehen, die wertvolle Dienste darin leisten kann, die Welt zu deuten
und darin zu navigieren. Wie bei Landkarten im Allgemeinen dürfen Quantifi-
zierungen allerdings nicht mit der eigentlichen Landschaft verwechselt werden.
Quantifizierungen „kartographieren“ lediglich einen bestimmten Ausschnitt der
Wirklichkeit, den der Produzent der Zahl zu erklären versucht. Quantifizierungen
sind also zuvorderst Formen der Abstraktion und der Reduktion von Komplexität,
und dürfen nicht mit „der Realität“ selbst gleichgesetzt werden.
4. Zahlen sind anfällig für Instrumentalisierung: Zahlen sind zwar ein wesentlicher
Bestandteil der menschlichen Existenz und ein unverzichtbares Instrument der
zwischenmenschlichen Kommunikation. Zugleich fehlt ihnen jedoch eine intrin-
sische „Unparteilichkeit“, weshalb es in ihrem Wesen liegt, für bestimmte Zwecke
instrumentalisiert werden zu können. Dies gilt auch - und vielleicht insbeson-
dere - für den modernen politischen Betrieb, in dem Zahlen die Politikgestal-
tung maßgeblich beeinflussen und von Entscheidungsträgern zu verschiedensten
Zwecken gebraucht beziehungsweise auch missbraucht werden, sei es zur Unter-
mauerung wertebasierter Argumente oder Charakterisierung bereits vordefmier-
ter Ziele. Die Instrumentalisierung von Zahlen in Form von „Politisierung“ oder
anderweitig erweist sich somit nicht als Ausnahme, sondern vielmehr als Regel.
Gleichwohl ist es möglich, Transparenz im Umgang mit Zahlen zu erhöhen, na-
mentlich etwa, indem ihre Entstehungszusammenhänge, die Art und Weise ihrer
Übersetzung und ihres Transfers von der Wissenschaft in die Politik, sowie die

367
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften