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BUA 1,1
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Die Gläubigen haben in der Einheit der Kirche Christus als ein Haupt: Ihm
wie einem König zu gehorchen, bemühen sie sich eifrig. Unter diesem
König haben alle in der Kirche Vorsteher so wie Könige. Sie jedenfalls
herrschen im Klerus im Dienst des Glaubens. Wie aber ein Vorsteher sein
soll, das zeigt der folgende Text zu Beginn. 5
1. Der König der Bienen, sagt er, ist „honigfarben, aus erlesener Blüte
und aus ihrer ganzen Fülle gemacht.“
[1] Wofür steht der Honig, wenn nicht für die Ehrlichkeit der Sitten? Wofür
die Blüte, wenn nicht für den Geruch eines unbescholtenen Rufs? Wie 10
wichtig aber ist es, dass ein Vorsteher sich gegenüber ein reines Gewissen
und seinem Nächsten gegenüber einen guten Ruf hat.
Daher sagt der hochheilige Vater Augustinus1: „Für dich das Gewissen, der
gute Ruf aber für deinen Nächsten.“ Aber wie Seneca2 sagt: „Viele fürchten
um ihren guten Ruf, um ihr Gewissen wenige.“ „Und solche zögern 15
jedenfalls aus Furcht, zu sündigen, nicht aus Unschuld.“ „Welch große
Dummheit ist es, zu fürchten, dass man von Verrufenen in Verruf gebracht
wird?“ Was unsere Angelegenheiten betrifft, „klingen diese aufwärts oder
abwärts?“ „Der Weise überlegt immer, wie sein Leben beschaffen sein soll,
nicht wie groß.“ „Es ist nämlich nicht gut, zu leben, sondern auf gute Art 20
und Weise zu leben.“ Du sollst nicht leben, damit du gefällst, sondern du
sollst dich bemühen, so zu sein, wie du sein sollst. „Es zeugt von Größe,
nicht gelobt werden zu wollen und lobenswert zu sein.“ „Wahre Freude
wird niemandem zuteil außer dem Weisen; sie ist die Eigenschaft eines
lHl. Augustinus (354-430), Kirchenlehrer, seit 396 Bischof von Hippo Regius. Zu Leben und
Wirkung s. LANE Fox, Augustinus, ROSEN, Augustinus sowie die Beiträge im Augustin-
Handbuch, hg. Drecoll. Die Schriften des Augustinus, besonders aber seine beiden
Hauptwerke (Confessiones, De civitate Dei) und die auf ihn zurückgehende Ordensregel
gehören zu den wichtigsten Referenzwerken im „Bienenbuch“. Die Vertrautheit des Thomas von
Cantimpre mit diesen Texten ist sicherlich mit seinem biographischen Werdegang zu erklären:
Als Augustiner-Chorherr und später Dominikaner dürfte er sich intensiv mit den Schriften des
Kirchenlehrers auseinandergesetzt haben. Zur Bedeutung des Augustinus für den
Dominikanerorden s. CYGLER/MELVILLE, Augustinusregel. | 1Lucius Annaeus Seneca der
Jüngere (gest. 65 n. Chr), Politiker und Philosoph. Zur Bedeutung Senecas und der ihm
(fälschlich) zugewiesenen Schriften s. MAYER, Seneca Redivivus sowie TORRE, Seneca. Im
„Bienenbuch“ nehmen die Schriften Senecas einen besonderen Stellenwert ein. Zu den
Anlehnungen an Seneca gehört v.a. die Übertragung verschiedener Annahmen über Bienen aus
Senecas politischer Mahnschrift De clementia (z.B. These der Stachellosigkeit des Königs, s.
dazu Thom. Cantimpr. BUA 1,4). Zudem finden sich in mehreren Kapiteln des „Bienenbuchs“
längere Passagen, die beinahe collagenartig aus den Epistulae morales Senecas oder aber den
seiner Autorschaft zugeschriebenen Sprichworten zusammengestellt sind. Zur Beliebtheit dieser
Texte dürften ihre lebensnahen Themen ebenso beigetragen haben wie der einfache und
eingängliche Sprachstil. S. dazu Kapitel II. 3.1. der Einleitung zur Edition.
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Die Gläubigen haben in der Einheit der Kirche Christus als ein Haupt: Ihm
wie einem König zu gehorchen, bemühen sie sich eifrig. Unter diesem
König haben alle in der Kirche Vorsteher so wie Könige. Sie jedenfalls
herrschen im Klerus im Dienst des Glaubens. Wie aber ein Vorsteher sein
soll, das zeigt der folgende Text zu Beginn. 5
1. Der König der Bienen, sagt er, ist „honigfarben, aus erlesener Blüte
und aus ihrer ganzen Fülle gemacht.“
[1] Wofür steht der Honig, wenn nicht für die Ehrlichkeit der Sitten? Wofür
die Blüte, wenn nicht für den Geruch eines unbescholtenen Rufs? Wie 10
wichtig aber ist es, dass ein Vorsteher sich gegenüber ein reines Gewissen
und seinem Nächsten gegenüber einen guten Ruf hat.
Daher sagt der hochheilige Vater Augustinus1: „Für dich das Gewissen, der
gute Ruf aber für deinen Nächsten.“ Aber wie Seneca2 sagt: „Viele fürchten
um ihren guten Ruf, um ihr Gewissen wenige.“ „Und solche zögern 15
jedenfalls aus Furcht, zu sündigen, nicht aus Unschuld.“ „Welch große
Dummheit ist es, zu fürchten, dass man von Verrufenen in Verruf gebracht
wird?“ Was unsere Angelegenheiten betrifft, „klingen diese aufwärts oder
abwärts?“ „Der Weise überlegt immer, wie sein Leben beschaffen sein soll,
nicht wie groß.“ „Es ist nämlich nicht gut, zu leben, sondern auf gute Art 20
und Weise zu leben.“ Du sollst nicht leben, damit du gefällst, sondern du
sollst dich bemühen, so zu sein, wie du sein sollst. „Es zeugt von Größe,
nicht gelobt werden zu wollen und lobenswert zu sein.“ „Wahre Freude
wird niemandem zuteil außer dem Weisen; sie ist die Eigenschaft eines
lHl. Augustinus (354-430), Kirchenlehrer, seit 396 Bischof von Hippo Regius. Zu Leben und
Wirkung s. LANE Fox, Augustinus, ROSEN, Augustinus sowie die Beiträge im Augustin-
Handbuch, hg. Drecoll. Die Schriften des Augustinus, besonders aber seine beiden
Hauptwerke (Confessiones, De civitate Dei) und die auf ihn zurückgehende Ordensregel
gehören zu den wichtigsten Referenzwerken im „Bienenbuch“. Die Vertrautheit des Thomas von
Cantimpre mit diesen Texten ist sicherlich mit seinem biographischen Werdegang zu erklären:
Als Augustiner-Chorherr und später Dominikaner dürfte er sich intensiv mit den Schriften des
Kirchenlehrers auseinandergesetzt haben. Zur Bedeutung des Augustinus für den
Dominikanerorden s. CYGLER/MELVILLE, Augustinusregel. | 1Lucius Annaeus Seneca der
Jüngere (gest. 65 n. Chr), Politiker und Philosoph. Zur Bedeutung Senecas und der ihm
(fälschlich) zugewiesenen Schriften s. MAYER, Seneca Redivivus sowie TORRE, Seneca. Im
„Bienenbuch“ nehmen die Schriften Senecas einen besonderen Stellenwert ein. Zu den
Anlehnungen an Seneca gehört v.a. die Übertragung verschiedener Annahmen über Bienen aus
Senecas politischer Mahnschrift De clementia (z.B. These der Stachellosigkeit des Königs, s.
dazu Thom. Cantimpr. BUA 1,4). Zudem finden sich in mehreren Kapiteln des „Bienenbuchs“
längere Passagen, die beinahe collagenartig aus den Epistulae morales Senecas oder aber den
seiner Autorschaft zugeschriebenen Sprichworten zusammengestellt sind. Zur Beliebtheit dieser
Texte dürften ihre lebensnahen Themen ebenso beigetragen haben wie der einfache und
eingängliche Sprachstil. S. dazu Kapitel II. 3.1. der Einleitung zur Edition.