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[2] Wir haben einige solcher Vorsteher auch in Klöstern gesehen und von
ihnen in diesem Jahrhundert erfahren. Ich hatte einen sehr lieben Gefährten
in der Schule, beinahe gleichaltrig und fast in den gleichen Studien.1 Dieser
verblieb von seiner Kindheit bis zu seinem Lebensende mit Frauen gänzlich
unvermischt. In seiner Jugend wurde er Priester im Gebiet von Brabant und 5
übernahm die Leitung von Seelen, denen er mit so aufmerksamer und
aufrichtiger Fürsorge vorstand, dass er diejenigen, die er durch Ermahnung
nicht für das Gute gewinnen konnte, mit verschiedenen Beispielen dazu
aufzurufen versuchte. Während andere aßen, blieb er mager, während
andere schliefen, blieb er schlaflos, und während andere eifrig bedacht auf 10
anderes waren, stürzte er sich selbst in die Gebete. Was auch immer für
seinen Gebrauch bestimmt worden war, teilte er mit den Armen. Wenn er
von seinen Schafen eines umherirren sah, bemühte er sich „zu ungünstigen
und günstigen Zeiten“ eifrig darum, es zurückzurufen. Dies geschah
außerhalb und stand im Gegensatz zu jenen größeren Dingen, die sich im 15
Inneren verbargen. Aufgrund solcher Taten war er in fast zwanzig Jahren
vielen ein glänzendes Vorbild.
Als es dem Höchsten jedoch gefiel, fand er folgendes Ende: Er litt einige
Tage lang an akutem Fieber. Und siehe, sobald er durch die
Heilssakramente geschützt war I und mit geschwächtem Geist seine glückliche Seele 20
gehen ließ, 11 leuchtete bald ohne Verzögerung ein Blitz von solcher Helligkeit
auf, dass im Umkreis einer Meile und noch darüber hinaus die Dunkelheit
der Nacht in emsiges Licht getaucht wurde, als ob hellster Tag wäre. Welch
Wunder? Für ihn, durch dessen Vorbild viele erleuchtet worden waren und
1Die genauen Umstände der Ausbildung Thomas' von Cantimpre sind ungeklärt;
möglicherweise erhielt er diese an der Kathedralschule von Cambrai. Vgl. dazu die
Ausführungen in Kapitel 1.1 der Einleitung zur Edition.
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[2] Wir haben einige solcher Vorsteher auch in Klöstern gesehen und von
ihnen in diesem Jahrhundert erfahren. Ich hatte einen sehr lieben Gefährten
in der Schule, beinahe gleichaltrig und fast in den gleichen Studien.1 Dieser
verblieb von seiner Kindheit bis zu seinem Lebensende mit Frauen gänzlich
unvermischt. In seiner Jugend wurde er Priester im Gebiet von Brabant und 5
übernahm die Leitung von Seelen, denen er mit so aufmerksamer und
aufrichtiger Fürsorge vorstand, dass er diejenigen, die er durch Ermahnung
nicht für das Gute gewinnen konnte, mit verschiedenen Beispielen dazu
aufzurufen versuchte. Während andere aßen, blieb er mager, während
andere schliefen, blieb er schlaflos, und während andere eifrig bedacht auf 10
anderes waren, stürzte er sich selbst in die Gebete. Was auch immer für
seinen Gebrauch bestimmt worden war, teilte er mit den Armen. Wenn er
von seinen Schafen eines umherirren sah, bemühte er sich „zu ungünstigen
und günstigen Zeiten“ eifrig darum, es zurückzurufen. Dies geschah
außerhalb und stand im Gegensatz zu jenen größeren Dingen, die sich im 15
Inneren verbargen. Aufgrund solcher Taten war er in fast zwanzig Jahren
vielen ein glänzendes Vorbild.
Als es dem Höchsten jedoch gefiel, fand er folgendes Ende: Er litt einige
Tage lang an akutem Fieber. Und siehe, sobald er durch die
Heilssakramente geschützt war I und mit geschwächtem Geist seine glückliche Seele 20
gehen ließ, 11 leuchtete bald ohne Verzögerung ein Blitz von solcher Helligkeit
auf, dass im Umkreis einer Meile und noch darüber hinaus die Dunkelheit
der Nacht in emsiges Licht getaucht wurde, als ob hellster Tag wäre. Welch
Wunder? Für ihn, durch dessen Vorbild viele erleuchtet worden waren und
1Die genauen Umstände der Ausbildung Thomas' von Cantimpre sind ungeklärt;
möglicherweise erhielt er diese an der Kathedralschule von Cambrai. Vgl. dazu die
Ausführungen in Kapitel 1.1 der Einleitung zur Edition.