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BUA 1,16
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16. „Um ihn herum sind gewisse Leibwächter, beständige Hüter seiner
Amtsgewalt.“
[1] Es ziemt sich nämlich nicht, dass ein Vorsteher alleine ist, wo auch
immer er sich befindet, und auch nicht, dass er irgendetwas ohne Zeugnis
tut, damit er nicht mit Joseph, wenn auch unschuldig, einen Skandal der 5
üblen Nachrede ertragen muss. Er soll bei sich nicht, wie Roboa, Jüngere
haben, durch die er Jerusalem zugrunde gerichtet hat, keine Nachlässigen
und Frauen, wie Isch-Boschet (deshalb wurde er ja getötet), sondern Ältere
und Erfahrenere wie David und Stärkere wie Salomon, die wegen seiner
nächtlichen Angst um sein Bett herum gehen. O Ängste und nächtliche 10
Schrecken, überall ist Dunkel, überall verstecken sich Hinterhalte; es ist
Dunkel und daher wird der Fallstrick ausgelegt. Kaum kann der Freund vom
Feind unterschieden werden. Was Wunder? David sagt in Gestalt Christi:
„Der, der mein Brot aß, hat die Betrügerei über mich hoch geschätzt. Wenn
das also am grünen Gewächs geschah, was wird am vertrockneten 15
geschehen?“
[2] Der ehrwürdige Heinrich, der zu unserer Zeit Regularkanoniker in der
Stadt Blois im Kloster Sankt Marien von Bourgmoyen1 war, wurde,
nachdem er lange Zeit in Paris studiert hatte, von allen zum Abt gewählt -
wenngleich gegen seinen Willen.2 In demselben Kloster gab es jedoch, wie 20
ich von gewissen Leuten gehört habe, gewisse Männer, die dem Alter
entsprechend weise und vorsichtig waren, jedoch weniger religiös und
sittenrein als es sich geziemte. Zuerst trat er an sie also mit schmeichelnden
und vernünftigen Worten heran; er ermahnte sie, die Regel zu befolgen, rief
sie zu einem aufrichtigen Leben auf und dazu, dass sie bei den Sitten 25
Disziplin einhielten. Aber als er sah, dass er dadurch ganz und gar nicht
vorankam, und weil er auch nicht mit Streitigkeiten die Kirche zerstören
Augustiner-Chorherrenahtei Sainte-Marie de Bourgmoyen, Blois. S. hierzu BAUTIER, Art.
„Bourgmoyen“. | ^Möglicherweise ist hier von Herveus L, Abt von Blois (1215-ca.l226), die
Rede; s. Gallia Christiana VIII, Sp. 1391. Zeitlich ist seine Geschichte mit den unten
beschriebenen Personen König Philipps und vor allem Ludwigs, des Grafen von Blois, jedoch
nicht in Einklang zu bringen.
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Amtsgewalt.“
[1] Es ziemt sich nämlich nicht, dass ein Vorsteher alleine ist, wo auch
immer er sich befindet, und auch nicht, dass er irgendetwas ohne Zeugnis
tut, damit er nicht mit Joseph, wenn auch unschuldig, einen Skandal der 5
üblen Nachrede ertragen muss. Er soll bei sich nicht, wie Roboa, Jüngere
haben, durch die er Jerusalem zugrunde gerichtet hat, keine Nachlässigen
und Frauen, wie Isch-Boschet (deshalb wurde er ja getötet), sondern Ältere
und Erfahrenere wie David und Stärkere wie Salomon, die wegen seiner
nächtlichen Angst um sein Bett herum gehen. O Ängste und nächtliche 10
Schrecken, überall ist Dunkel, überall verstecken sich Hinterhalte; es ist
Dunkel und daher wird der Fallstrick ausgelegt. Kaum kann der Freund vom
Feind unterschieden werden. Was Wunder? David sagt in Gestalt Christi:
„Der, der mein Brot aß, hat die Betrügerei über mich hoch geschätzt. Wenn
das also am grünen Gewächs geschah, was wird am vertrockneten 15
geschehen?“
[2] Der ehrwürdige Heinrich, der zu unserer Zeit Regularkanoniker in der
Stadt Blois im Kloster Sankt Marien von Bourgmoyen1 war, wurde,
nachdem er lange Zeit in Paris studiert hatte, von allen zum Abt gewählt -
wenngleich gegen seinen Willen.2 In demselben Kloster gab es jedoch, wie 20
ich von gewissen Leuten gehört habe, gewisse Männer, die dem Alter
entsprechend weise und vorsichtig waren, jedoch weniger religiös und
sittenrein als es sich geziemte. Zuerst trat er an sie also mit schmeichelnden
und vernünftigen Worten heran; er ermahnte sie, die Regel zu befolgen, rief
sie zu einem aufrichtigen Leben auf und dazu, dass sie bei den Sitten 25
Disziplin einhielten. Aber als er sah, dass er dadurch ganz und gar nicht
vorankam, und weil er auch nicht mit Streitigkeiten die Kirche zerstören
Augustiner-Chorherrenahtei Sainte-Marie de Bourgmoyen, Blois. S. hierzu BAUTIER, Art.
„Bourgmoyen“. | ^Möglicherweise ist hier von Herveus L, Abt von Blois (1215-ca.l226), die
Rede; s. Gallia Christiana VIII, Sp. 1391. Zeitlich ist seine Geschichte mit den unten
beschriebenen Personen König Philipps und vor allem Ludwigs, des Grafen von Blois, jedoch
nicht in Einklang zu bringen.