Metadaten

Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0166
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5
10
15
20
25

BUA 1,20

161

können.“ Ihm antwortete die Seele: „Mir hat dies die mildeste Güte unseres
Retters bestimmt, weil ich von damals an gefürchtet habe und nun sicher
weiß, dass ich, wenn ich den Bischofssitz bestiegen hätte, in die Gefahr der
ewigen Verdammnis geraten wäre.“ Und als er das sagte, verging er
gleichsam mit dem gewaltigen Licht eines Blitzes. 5
[5] Auch der ehrwürdige Hugo, der Dekan der Kirche von Cambrai,5 ein für
seine große Aufrichtigkeit und edle Abstammung äußerst bekannter Mann,
dachte daran, weil er sich fürchtete, in den Bistümern verschiedener Kirchen
zu herrschen und sich den Weisungen des Apostolischen Stuhls nicht
entziehen konnte, alles hinter sich zu lassen und in das Zisterzienserkloster 10
Vaucelles bei Cambrai6 einzutreten. Als er seine Absicht erklärt hatte,
wollten viele Adelige seinen sehr schönen Falken haben, den er durch zehn
Wechsel besaß; aber er wich ihnen mit wundersamer Höflichkeit aus. Und
als er zur Tür des Klosters kam, löste der zukünftige Mönch bald darauf die
Fuß fesseln des Falken und ließ ihn in die freie Luft aufsteigen, während er 15
folgende Worte sprach:
„Hier entlasse ich dich, setze dich zwanglos und friedlich frei.
Genieße die Freiheit, für dein Wohl.“
Wenig später waren viele, die versucht hatten, den entlassenen Falken zu
fangen oder zurückzurufen, enttäuscht, weil er sich niemals mehr sehen ließ. 20
Und dies wird freilich irgendwann den Jüngeren zugestanden, dass sie zu
passender Zeit „bei den Vögeln unter dem Himmel“ spielen, damit sie nicht
von den Fluten der verschiedenen Versuchungen überrollt werden.
[6] Über jenen äußerst heiligen Mann berichtet man im Kloster auswendig
Folgendes, wie ich von den Mönchen selbst gehört habe, die es sahen: Als 25
er bei Tisch als Novize saß, nahmen herbeifliegende Spatzen häufig kleine

-'Fine eindeutige Identifizierung des hier genannten Hugo ist nicht möglich. In Frage kommen
Vertreter der Familie von Oisy die das Zisterzienserkloster von Vaucelles im Jahr 1131
gegründet hatte (Hugo II., Kastellan von Cambrai, gest. um 1139 oder Hugo III., Kastellan von
Cambrai, gest. 1189/90); SALZER führt in ihrer Arbeit zudem Hugo von Anchin als Laienbruder
in Vaucelles auf. S. SALZER, Vaucelles Abbey, S. 98 sowie PLATELLE, Les exemples, S. 278.
bZisterzienserabtei südlich von Cambrai, gegründet 1131 nach einer Schenkung Hugos II. von
Oisy. S. zur Geschichte des Klosters HANQULEZ, Vaucelles sowie SALZER, Vaucelles Abbey.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften