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Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0178
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BUA 1,21

173

21. Die Güte des Königs und seine Sorgfalt sind am größten gegenüber
seinem Volk, und um den König herum ist der Gehorsam des Volkes so
beständig, dass die Bienen „niemals von Hass oder Zweitracht“
untereinander „ergriffen werden“.
[1] Siehe, wie tadelnswert das Vergehen einer verdorbenen Natur ist, dass 5
„die kleine Biene unter den Vögeln“ jenes Unbefleckte bewahrt und der für
Vernunft empfängliche Mensch es mit einem so verderblichen Geist
übergeht. Wie nämlich der äußerst ruhmreiche Augustinus1 in seinem „Buch
über den Gottesstaat“2 sagt: „Nichts ist von seiner Natur her so sozial, nichts
so zwieträchtig durch sein Laster wie das menschliche Geschlecht. Und die 10
menschliche Natur könnte nämlich nicht besser gegen das Laster der
Zwietracht, vor dessen Auftreten man sich entweder hüten muss, oder das
man heilen muss, wenn es bereits aufgetreten ist, gestärkt werden: Gott
wollte deswegen nur einen Menschen schaffen, aus dem die Vielzahl aller
Menschen hervorginge, damit durch diese Mahnung auch unter den vielen 15
Eintracht und Einheit bewahrt blieben.“ Gibt es denn etwa viele ungesellige
und einsame Tiere wie Löwen, Füchse und Adler, Tiger oder Bären, die
ihren Söhnen sanft zuflüstem und sie mit befriedeter Wildheit liebkosen?
Welcher Falke schwebt auf seinen Raubzügen vollkommen allein umher?
Vereint er sich denn nicht zum Zeichen des Friedens in einer Ehe, baut ein 20
Nest, brütet Eier, ernährt seine Jungen und bewahrt wie eine Familienmutter
die häusliche Gemeinschaft in möglichst großem Frieden? Wie viel mehr
müsste der gefährdete Mensch gewissermaßen von Natur aus danach
streben, eine Gemeinschaft mit allen Menschen zu schließen, soweit er es
vermag, und in allen Dingen Frieden zu halten, um sich als vernunftbegabter 25
Mensch zu bemühen, das zu bewahren, von dem man sagt, dass es sogar bei
den vemunftlosen Tieren existiert!

1Hl. Augustinus (354-430), Kirchenlehrer, seit 396 Bischof von Hippo Regius. S. für weitere
Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,1. | 2De civitate Dei, umfangreichstes Werk des hl.
Augustinus. Verfasst zwischen 413 und 427, behandelt es am Vorbild des „Gottesstaates" die
Wirkmacht des christlichen Gottes im Gegensatz zur Macht der römischen Götter. S. VAN OORT,
„De civitate dei".
 
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