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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0194
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BUA 1,23

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welcher sie die Verdorbenheit zum Guten überwinden mussten. Daher ist
wirklich ausgezeichnet, was ein gewisser Versdichter sagt:
„Eine edle Art zu siegen ist die Tugend der Geduld.
Daher lerne ausdauernd zu sein, wenn du siegen willst.“
Man muss anmerken, dass der Berg Gilboa nicht ohne Grund den Hochmut 5
bezeichnet. Man sagt nämlich, dass er dort, wie du nach dem Apostel hörst,
„den Zorn Gottes am Tag des Gerichts“ aufhäuft, an dem nach dem Zeugnis
des Propheten alle Ungläubigen „wie Strohhalme dahingerafft werden.“ Es
gibt nämlich nichts Gott Unwürdigeres als den Hochmut und jener am
meisten, der heute als äußerst schändlicher Hochmut der Vorsteher herrscht, 10
oder soll ich nicht eher sagen: der Kleriker? Du also, wahrhaftiger Saul, du
milder und demütiger Vorsteher, und du, Jonathan, Geschenk der Taube, der
du beim Streifzug eingesetzt wurdest, „du sollst nicht Hörner wie ein Stier
emporheben“, sondern dich auf die Gebete der Untergebenen stützen, die
dich mit sich zum Himmel emporheben, und jene Dinge, welche sie dir als 15
Aufgaben zumessen, werden zu einem guten Ende gebracht.
[2] Wie tugendhaft aber die Gebete der Gläubigen und der am meisten
Vollkommenen vor Gott sind, soll anhand eines einleuchtenden Wunders
aufgezeigt werden, weil Jakob selbst sagt: „Die Fürsprache des Gerechten
vermag viel, wenn sie beharrlich ist.“ Ich habe eine Frau von höchst heiliger 20
Lebensführung gekannt, die im Gebiet von Brabant lebte, deren
Lebensweise ich nun, damit du das Folgende besser glauben kannst, knapp
beschreiben will. Sie war in einem kleinen steinernen Schuppen
eingeschlossen, trug einen eisernen Panzer1 auf dem Fleisch und darüber ein
Bußgewand aus Ziegenhaar, durch das sie durch die Mitte des Panzers 25
ziemlich heftig gestochen wurde. Über die härtesten und schärfsten Steine
legte sie sich zu gewissen Zeiten mit nackten Füßen nieder. Sie aß nur
dreimal in der Woche und dann nährte sie sich von Brot, welches zur Hälfte
mit Asche vermischt und nach Maß und Gewicht mit Seife gebacken war.2
Sie brachte täglich demütig die vielen Leute, die sich ihr in Gebeten 30

]Zum Gebrauch der eisernen lorica als Bußmaßnahme s. (mit Bezug auf Beispiele in Flandern)
PLATELLE, La violence. | ^Strenges Fasten bzw. eine strenge Diät als Ausdruck besonderer
Religiosität war im 13. Jahrhundert ein fester Bestandteil hagiographischer Erzählungen über
fromme Frauen. S. dazu BYNUM, Holy feast sowie zur Frage stereotyper Narrative GOODICEI,
Contours, S. 30.
 
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