5
10
15
20
25
BUA 11,3
257
3. „Sie sind durch eine gewisse Ordnung den Müttern Untergebene und
tun nichts ohne den Befehl der Älteren.“
[1] Hier werden die Demut der Unterwerfung und die Entsagung vom
eigenen Willen beschrieben. Wenn ein Untergebener diese zwei
Eigenschaften unversehrt und aus seinem Herzen heraus besitzt, wird der 5
Erhöhte gewiss in Freude frohlocken und sich am Ruhm der vollkommenen
Freiheit erquicken. Deshalb sagt der Apostel: „Jenes Jerusalem, das oben ist,
ist frei; es ist unsere Mutter.“
[2] Aber es kann nicht ohne Verstand gefragt werden, warum die Kirche rät
und verlangt, dass ein Mensch einem anderen Menschen untergeben ist, 10
weil Gott wollte, dass der vernunftbegabte Mensch, den er nach seinem
Abbild geschaffen hat, nur über die Unvernünftigen herrscht, also nicht der
Mensch über den Menschen, sondern der Mensch über das Vieh. Dies zeigt
sich, wie es der äußerst ruhmvolle Augustinus1 sagt, vor allem bei den
Eltern und ganz besonders bei den Stammvätern, die eher Führer von Vieh 15
als von Menschen waren. Daher wurde zu ihnen gesagt: „Herrscht über die
Fische des Meeres und die Vögel des Himmels“ und die Tiere der Erde.
Dies kann aber so gelöst werden: Jene ersten und einstigen Eltern waren
gewiss einzig Gott unterworfen und missbrauchten keineswegs die ihnen
vom Herrn zugestandene Freiheit, sondern sie dienten im ganzen Ansehen 20
der Sitten dem Schöpfer aller Dinge. Heute aber können die durch die
Abgründe der Verfehlungen herabstürzenden Menschen auch unter
grausamster Knechtschaft kaum von Vergehen abgehalten werden. Daher
wurde den sündigen Söhnen Israels im Deuteronomium drohend gesagt:
„Weil du Gott, deinem Herrn, wegen des Überflusses an allen Dingen nicht 25
in Freude und Fröhlichkeit deines Herzens gedient hast, wirst du deinem
Feind dienen in Hunger und Durst und Trockenheit und Mangel an allen
Dingen und ich werde ein eisernes Joch über deinen Nacken legen.“
1Hl. Augustinus (354-430), Kirchenlehrer, seit 396 Bischof von Hippo Regius. S. für weitere
Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,1.
10
15
20
25
BUA 11,3
257
3. „Sie sind durch eine gewisse Ordnung den Müttern Untergebene und
tun nichts ohne den Befehl der Älteren.“
[1] Hier werden die Demut der Unterwerfung und die Entsagung vom
eigenen Willen beschrieben. Wenn ein Untergebener diese zwei
Eigenschaften unversehrt und aus seinem Herzen heraus besitzt, wird der 5
Erhöhte gewiss in Freude frohlocken und sich am Ruhm der vollkommenen
Freiheit erquicken. Deshalb sagt der Apostel: „Jenes Jerusalem, das oben ist,
ist frei; es ist unsere Mutter.“
[2] Aber es kann nicht ohne Verstand gefragt werden, warum die Kirche rät
und verlangt, dass ein Mensch einem anderen Menschen untergeben ist, 10
weil Gott wollte, dass der vernunftbegabte Mensch, den er nach seinem
Abbild geschaffen hat, nur über die Unvernünftigen herrscht, also nicht der
Mensch über den Menschen, sondern der Mensch über das Vieh. Dies zeigt
sich, wie es der äußerst ruhmvolle Augustinus1 sagt, vor allem bei den
Eltern und ganz besonders bei den Stammvätern, die eher Führer von Vieh 15
als von Menschen waren. Daher wurde zu ihnen gesagt: „Herrscht über die
Fische des Meeres und die Vögel des Himmels“ und die Tiere der Erde.
Dies kann aber so gelöst werden: Jene ersten und einstigen Eltern waren
gewiss einzig Gott unterworfen und missbrauchten keineswegs die ihnen
vom Herrn zugestandene Freiheit, sondern sie dienten im ganzen Ansehen 20
der Sitten dem Schöpfer aller Dinge. Heute aber können die durch die
Abgründe der Verfehlungen herabstürzenden Menschen auch unter
grausamster Knechtschaft kaum von Vergehen abgehalten werden. Daher
wurde den sündigen Söhnen Israels im Deuteronomium drohend gesagt:
„Weil du Gott, deinem Herrn, wegen des Überflusses an allen Dingen nicht 25
in Freude und Fröhlichkeit deines Herzens gedient hast, wirst du deinem
Feind dienen in Hunger und Durst und Trockenheit und Mangel an allen
Dingen und ich werde ein eisernes Joch über deinen Nacken legen.“
1Hl. Augustinus (354-430), Kirchenlehrer, seit 396 Bischof von Hippo Regius. S. für weitere
Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,1.