Klöster im Hochmittelalter

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BUA 11,10

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[16] Eine wunderbare Vision darüber hat ein gewisser Mönch des
Zisterzienserordens gesehen, der ein so heiligmäßiges Leben führte, dass
man es für äußerst schändlich und frevelhaft hielt, ihm nicht zu glauben.
Fortgerissen im Geiste sah er nämlich die Patronin des Zisterzienserordens
selbst, die gütigste Mutter Jesu Christi. Zu ihm sagte die heilige Jungfrau: 5
„Ich empfehle meine Brüder und Söhne deiner Sorge, auf dass du sie
aufrichtig schätzt und beflissen für jene betest.“ Als jener fröhlich nickte
und darauf vertraute, dass es sich um die Brüder seines Ordens handele,
sagte die Jungfrau: „Ich habe auch andere Brüder, die ich in meinen Schutz
als förderns- und behütenswert einschließe.“ Und während sie das sagte, 10
hob sie den Mantel hoch und zeigte, dass darunter die Brüder des
Predigerordens ihren Platz hatten, und sie fügte hinzu: „Es sind diese, die
mit ihrer Tätigkeit in besonderem Maße dafür sorgen, dass das Blut meines
geliebten Sohnes nicht unnütz vergossen wurde.“19
[17] In ähnlicher Weise geschah es in Sachsen, wie uns Bruder Walther vom 15
Predigerorden in Trier berichtet hat,20 dass eine Rekluse von allerheiligstem
Ruf, angetrieben durch den Namen der Prediger, in der Frühzeit des Ordens
sehr danach gestrebt hatte, Brüder zu sehen; als sie endlich bei gegebener
Gelegenheit zwei junge Brüder zu Gesicht bekommen hatte, sagte sie mit
großem Scharfsinn zum Herrn: „Wie kommt es, Herr, dass die Predigt 20
deines Wortes von zwei so kindlichen und unerfahrenen Menschen
übernommen wird?“ Auf diese Worte hin erschien ihr bald darauf die
heilige Mutter Christi, hob ihren Mantel - wie es schon zuvor beschrieben
wurde -, zeigte ihr die Brüder des Ordens und sagte: „Du sollst solche Leute
nicht geringschätzen, wer auch immer sie sind; ich bin die, die sie lenkt, ich 25
beschütze sie und leite ihre Schritte ,auf den Pfad des Friedens?“

i9An dieser Stelle adaptiert Thomas von Cantimpre das Motiv der Schutzmantelmadonna, das
bis dahin zumeist von den Zisterziensern mit Bezug auf ihre Ordenspatronin Maria verwendet
worden war; die Übertragung dieses Motivs auf die Dominikaner dient der Legitimation des
„neueren" Ordens der Predigerbrüder. S. dazu BURKHARDT, Welt der Mendikanten, GORMANS,
„ Unter den Mantel geschaut" sowie REISNER, ,, Sub tuum praesidium confugimus “. | 1QOffenbar
Walther von Meisenburg OP, Prior des Trier Dominikanerkonvents und Berater der Yolanda
von Vianden (ca. 1231-1283), die gegen den Willen ihrer Eltern (Graf Heinrich I. und
Margarethe von Courtenay) ihren Eintritt in das Dominikanerinnenkloster von Marienthal
durchsetzte. S. dazu MlELKE-VANDENOUTEN, Grafentochter, S. 319-325.