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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0380
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BUA 11,12

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12. Die Speise aller erfolgt gemeinsam. „Sie essen nämlich nicht
getrennt, damit keine Ungleichheit der Arbeit, der Speisen und der Zeit
entsteht.“
[1] Und mit Recht hat sich eine Gewohnheit allen Klöstern eingeprägt, dass
sie nämlich einen Speisesaal im Kloster haben, wo allen, ohne Ansehen der 5
Person, gemeinschaftlich Speisen dargereicht werden. O wie diese
schickliche und diese Gott würdige Sitte in den Klöstern bewahrt wird!
Auch Christus, selbst ein Vorbild für vollständige Tugend, bewahrte sie in
seiner heiligsten Zusammenkunft, das heißt mit den Schülern, so dass er
auch nicht vor der Hand des Verräters Judas „in der Schüssel“ erschauderte. 10
Du also, Prior, du, Vorsteher, wer bist du, dass du die Winkel in der
Gemeinschaft suchst? Um der Gäste willen muss dies bisweilen, wenn auch
nicht immer oder oft geschehen, denn es ziemt sich, dass sie durch
reichlichere Nahrung gekräftigt werden. Ich verdamme keine gute
Gewohnheit, aber von Missbrauch rate ich zutiefst ab. Der heilige Benedikt1 15
zeigt an, was diesbezüglich zu tun ist, indem er sagt: „Der Tisch des Abtes
sei immer mit Fremden und Gästen besetzt.“ Sobald es jedoch weniger
Gäste sind, liege es in seiner Macht, von den Brüdern zu rufen, wen er will.
Um der Ordnung willen soll er aber trotzdem immer wenigstens für einen
oder zwei Ältere Sorge tragen, die mit den Brüdern zu entsenden sind.2 20
Siehe, Leser, dass ein so großer Mensch von jeher vorhergesehen hat, dass
durch solche Gastmähler - wegen der Gäste - Unverschämtheiten
geschehen müssen. Und es ist zu bemerken, dass jener Mann, der
erlauchteste Augustinus,3 in seiner Regel gebilligt hat, dass nichts von
diesen Dingen geschrieben wurde, sondern dass die Seinen am Tisch 25
Zusammenkommen, wo nicht allein die Münder Essen zu sich nehmen,
„sondern auch die Ohren nach dem Wort Gottes gelüstet.“ Am besten aber
hat dies der heilige Benedikt in früherer Zeit, wie wir zuvor gesagt haben,
ausgedrückt.

1Hl. Benedikt (geb. um 480), Namensgeber des benediktinischen Mönchtums. S. für weitere
Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,5. | 3Zu Regeln und Ritualen der benediktinischen
Tischgemeinschaft s. SONNTAG, Klosterleben, S. 304-327 sowie SONNTAG, Speisen des
Himmels. | 3Hl. Augustinus (354-430), Kirchenlehrer, seit 396 Bischof von Hippo Regius. S. für
weitere Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,1.
 
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