5
10
15
20
25
BUA 11,17
425
17. Bienen, die ihren Stachel verlieren, „können fortan keine Honige
mehr machen.“
[1] „Was ist süßer als Honig?“ Was ist angenehmer als die Tugend? Diese
um jeden Preis beim Nächsten zu fördern, bemühen sich diejenigen nicht
genug, die den sündigen Nächsten nicht durch Beschuldigen oder Anklagen 5
unangenehm stechen; oder er kann auf andere Art und Weise bloßgestellt
werden, aber schwerwiegender. Bienen, die ihren Stachel verlieren, können
fortan keine Honige machen, weil es häufiger geschieht, dass derjenige, der
sich nicht darum kümmert, dem Nächsten durch Beschuldigen oder
Verurteilen zu Hilfe zu kommen, durch die gerechte Strafe Gottes vom 10
Honig der Tugend abfällt. Und wer seinen Bruder nicht vor der Fallgrube
behüten will, gerät höchstselbst in das Labyrinth der Ungerechtigkeit. Was
Wunder? Als „Vermaledeiter“ wird vom Propheten bezeichnet, „wer sein
Schwert vom Blut abhält.“ Das Schwert aber vom Blut abzuhalten bedeutet
den Nächsten nicht durch das Wort korrigieren zu wollen, wodurch er beim 15
Bereuen der Sünde sterben und gottgerecht leben kann. Ein solcher ist
nämlich vermaledeit, das heißt: durch das Böse angezogen, weil er darin,
dass er für seinen Nächsten nicht sorgen wollte, diesen gegenwärtig in das
Übel der Schuld und zukünftig in das Übel der Strafe der dauerhaften
Verdammnis hineingezogen hat. Von dem, was zu unserer Zeit geschah, 20
wollen wir nun hören.
[2] Wir haben in einem gewissen Kloster einen mit natürlicher Klugheit und
Einsicht begabten Mönch gesehen, der durch die Tugend der Keuschheit
und durch vollständigen Anstand der Sitten ausgezeichnet war. An ihm war
allein jener Mangel, dass er keine Härte gegen die Sünden besaß. Weil sie 25
hofften diesen Mangel an ihm zu korrigieren, wählten ihn die Mönche
einstimmig zum Abt. Aber nachdem jener zum Abt gemacht worden war,
verharrte er wie zuvor in Verzagtheit und Trägheit. Und von da an erweckte
sein mönchischer Orden den ausreichend schwerwiegenden Anschein von
10
15
20
25
BUA 11,17
425
17. Bienen, die ihren Stachel verlieren, „können fortan keine Honige
mehr machen.“
[1] „Was ist süßer als Honig?“ Was ist angenehmer als die Tugend? Diese
um jeden Preis beim Nächsten zu fördern, bemühen sich diejenigen nicht
genug, die den sündigen Nächsten nicht durch Beschuldigen oder Anklagen 5
unangenehm stechen; oder er kann auf andere Art und Weise bloßgestellt
werden, aber schwerwiegender. Bienen, die ihren Stachel verlieren, können
fortan keine Honige machen, weil es häufiger geschieht, dass derjenige, der
sich nicht darum kümmert, dem Nächsten durch Beschuldigen oder
Verurteilen zu Hilfe zu kommen, durch die gerechte Strafe Gottes vom 10
Honig der Tugend abfällt. Und wer seinen Bruder nicht vor der Fallgrube
behüten will, gerät höchstselbst in das Labyrinth der Ungerechtigkeit. Was
Wunder? Als „Vermaledeiter“ wird vom Propheten bezeichnet, „wer sein
Schwert vom Blut abhält.“ Das Schwert aber vom Blut abzuhalten bedeutet
den Nächsten nicht durch das Wort korrigieren zu wollen, wodurch er beim 15
Bereuen der Sünde sterben und gottgerecht leben kann. Ein solcher ist
nämlich vermaledeit, das heißt: durch das Böse angezogen, weil er darin,
dass er für seinen Nächsten nicht sorgen wollte, diesen gegenwärtig in das
Übel der Schuld und zukünftig in das Übel der Strafe der dauerhaften
Verdammnis hineingezogen hat. Von dem, was zu unserer Zeit geschah, 20
wollen wir nun hören.
[2] Wir haben in einem gewissen Kloster einen mit natürlicher Klugheit und
Einsicht begabten Mönch gesehen, der durch die Tugend der Keuschheit
und durch vollständigen Anstand der Sitten ausgezeichnet war. An ihm war
allein jener Mangel, dass er keine Härte gegen die Sünden besaß. Weil sie 25
hofften diesen Mangel an ihm zu korrigieren, wählten ihn die Mönche
einstimmig zum Abt. Aber nachdem jener zum Abt gemacht worden war,
verharrte er wie zuvor in Verzagtheit und Trägheit. Und von da an erweckte
sein mönchischer Orden den ausreichend schwerwiegenden Anschein von