Metadaten

Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0542
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5
10
15
20
25

BUA 11,29

537

erschien ihm die ruhmreiche Jungfrau heller als die Sonne und zeigte dem
jungen Mann drei Futterale in ihrer Tunika, ein vorderes und zwei seitliche.
„Siehe“, sprach sie, „deine Anrufungen in goldenen Lettern geschrieben, mit
denen du mich in drei mal fünfzig Gebeten emsig geehrt hast. Und weil du
ja die Reinheit der Jungfräulichkeit in deinem Körper, wenn auch eitel und 5
zuchtlos, bewahrt hast, wird dich bald ein zähes Fieber ergreifen und du
wirst am dritten Tag ohne jede Verderbnis des Fleisches zu mir kommen.“
Nachdem sie dies gesagt hatte, verschwand die ruhmreiche Jungfrau. Der
junge Mann aber ermunterte, nachdem er aus dem Zimmer herausgegangen
war, alle, glücklich zu sein, zu schmausen und sich zu freuen; er dagegen sei 10
wahrhaft von seinem Appetit zu essen verlassen und könne momentan nicht
bei ihnen sein. Während sie also alleine zu Tisch saßen und aßen, bestieg
der junge Mann inzwischen das Bett und rief, nachdem er eine Mahlzeit zu
sich genommen hatte, seine Braut, den Onkel und seine Freunde im Gemach
zusammen; und er vertraute ihnen an, was ihm geschehen und gesagt 15
worden war. Der junge Mann starb also wie vorhergesagt am dritten Tag.
Seine Braut aber verblieb, weil sie danach niemanden mehr heiraten wollte,
in heiliger Jungfräulichkeit. Und es ist nicht verwunderlich, wenn die
heiligste Jungfrau sagte, dass sie vom zuvor genannten jungen Mann in drei
mal fünfzig Anbetungen durch den Engelsgruß1 geehrt wurde, weil sie in 20
der Zeit der Gnade, wie in einem Jubeljahr, auserwählt und zur edlen
Ruhestätte der Dreifaltigkeit gemacht wurde.
[7] Daher hatte der ehrwürdige Adam, Kanoniker von St. Viktor in Paris,2
als er gerade die Sequenz „Sei gegrüßt, Mutter des Erlösers“ schrieb, jenen
kleinen rhythmischen Vers hervorgebracht: 25
„Sei gegrüßt, Mutter der Frömmigkeit,
du edle Ruhestätte
der ganzen Dreifaltigkeit.“

xEngelsgruß oder englischer Gruß, ca. seit dem 6. Jh. Bestandteil des Mariengebets Ave Maria
Im Engelsgruß wurde auf die Worte des Erzengels Gabriel bei der Verkündigungsszene Bezug
genommen. S. dazu HEINZ, Art. „Ave Maria". | 2Adam von St. Viktor (gest. wohl 1177 oder
1192), Mitglied der Regularkanonikerabtei Saint-Victor in Paris, war einer der berühmtesten
Dichter von geistlichen Hymnen und Sequenzen im 12. Jahrhundert. S. FASSLER, Who was
Adam.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften