Metadaten

Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0614
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
5
10
15
20
25

BUA 11,30

609

30. Bienen „vereinigen sich untereinander nicht im Beischlaf, und sie
erschlaffen auch nicht in Lust.“
[1] Man hat klug und gut folgende Worte unterschieden: Wenngleich die
Vereinigung eines jungen Mannes und einer Frau natürlich ist, erstreckt sie
sich dennoch bis zum Übel der Unzucht und Untreue. Das Erschlaffen in 5
Lust aber berührt das Verbrechen eines unnatürlichen Vergehens. Und auf
doppelte Weise, entweder durch einen selbst oder durch einen anderen,
geschieht, was die Galle aller Sünden genannt werden kann.
[2] Und freilich kann man über die nächtlichen Dämonen oder „Incubi“1 in
verschiedenen Büchern der Ausleger lesen, so wie in den Büchern des 10
Augustinus2 „Über die Genesis gegen die Manichäer“3 und an vielen
anderen Stellen. Ich kann mich aber nicht erinnern, jemals von weiblichen
Dämonen gelesen zu haben. Und darin zeigt sich, dass ein Laster gegen die
Natur für die Dämonen außerdem schamhaft ist; darauf möchte nämlich die
Glosse über jene Stelle in Hesekiel 16 scheinbar hinaus, wo es heißt: „Ich 15
gebe dich“ in die Hände der Philister, das heißt: der Dämonen, die sich auch
„über dein frevelhaftes Treiben“ schämen, was ich als Vergehen gegen die
Natur erkenne.
[3] Mir aber, der ich viele Jahre im Bistum Cambrai an Stelle des Bischofs
mit dem Anhören der Beichte verbrachte,4 beichtete eine gewisse Frau mit 20
dem größten Kummer und mit Scham, dass sie sich folgenden Frevel
angewöhnt hatte: Sie ließ sich übermütig im Bett gehen und hörte zwischen
sich und der Wand einen Dämonen, der mit schallendem Gelächter schrie:
„Ha, Ha, Ha“, und damit den Einwurf eines Zornigen bezeichnete. Als die
Frau durch die Stimme verunsichert zu dieser Stunde zu mir gelaufen war 25
und die Gnade der Absolution empfangen hatte, leistete sie die bitterlichste
Buße, sogar mehr, als ich angeordnet hatte.

xUnter incubi verstand man im Mittelalter (zumeist männliche) Dämonen, die in der Nacht
erschienen und in denen man deshalb die Ursache für schlechte Träume vermutete. S. dazu VAN
DER LUGT, The Incubus. | 2Hl. Augustinus (354-430), Kirchenlehrer, seit 396 Bischof von
Hippo Regius. S. für weitere Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,1. | 3De Genesi aduersus
Manicheos, exegetisches Werk des hl. Augustinus (s. Anm. 2), verfasst um 389. Ein Abschnitt
über incubi findet sich darin allerdings nicht. Vgl. stattdessen Aug. quaest. hept. 1,3. | 4Zwr
Tätigkeit des Thomas von Cantimpre als Prediger, Beichtvater und Seelsorger s. bereits Thom.
Cantimpr. BUA 11,11,1 sowie die Ausführungen in Kapitel 1 der Einleitung zur Edition.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften