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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0646
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BUA 11,30

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[32] Darüber habe ich jenes Geheimnis erfahren, dass er, sofort als die
heilige Seele des genannten Mannes wegen des Zustands des Fleisches
seinen Körper verließ, durch eine Vision jemandem erschien, der 14 Meilen
entfernt war; und er hatte einen kostbaren Stein des Verdienstes, den er an
der Brust zu tragen schien und der geeignet war, den ganzen Erdkreis zu 5
erleuchten und deutlich zeigte, dass die glückliche Seele dessen, der die
Herzen vieler zur Erkenntnis der Wahrheit mit dem Wort Gottes und dem
Beispiel an Tugend erleuchtet hatte, solche Strahlkraft erreicht.
[33] Der heilige Ludwig, der Bischof von Chälons-sur-Mame, war ein
körperlich sehr anmutiger und ehrbarer Mann.20 Als diesen eine gewisse 10
Königin in Frankreich sah, warf sie einen Blick auf ihn und lud ihn,
nachdem sie ihn bei passender Gelegenheit herbeigerufen hatte, zum
Beischlaf ein. Jener aber sah mit finsterer Miene und unwilligem Blick auf
sie herab und brachte sie mit wunderbaren Worten zum Schweigen. Sein
Auge konnte auch nach seinem Tod im vertrockneten Leichnam nicht 15
ausgelöscht oder verdunkelt werden, wie mir und vielen anderen, die
zuhörten, Magister Johannes von Ferte später erzählte, der einst Abt der
Regularkanoniker in eben dieser Stadt war und das Auge selbst gesehen
hatte, das wie ein sehr heller Kristall aussah.21 Er war auch bei der
Aufhebung des Körpers des genannten Heiligen anwesend, der mehr als 20
vierhundert Jahre in der Erde gelegen hatte. Und freilich hatte sein Auge mit
Recht auch im toten Körper nicht ausgelöscht werden können, denn es blieb
gegen den tötenden Feind im vergänglichen Gefäß lebendig. Und wahrhaft
durfte es durch seinen Verdienst von außen nicht dunkel werden, denn er
sorgte sich nicht darum, das Gift der Verderbtheit im Innern zuzulassen. 25
[34] Was aber der Philosoph über das Auge denkt, das nicht auf etwas
gerichtet werden darf, wollen wir nun hören. „Wer“, sagt er, „die Sehnsucht
nach allen Dingen, nach denen er in Begierde entbrannte, ablegen will, soll

^Offenbar der heilige Leudomer Lumier (gest. 621), der 18. Bischof von Chälons-sur-Mame.
^Aufgrund mangelnder Detailangaben ist Johannes von Ferte nicht eindeutig zu identifizieren.
S. auch STUTVOET-JOANKNECHT, Byen boeck, S. 146.
 
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