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Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0672
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BUA 11,30

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des Libanon“, die Widder der Herden unter dieser Pest zugrunde gingen,
über deren Lebenswandel ich nicht weniger Verdacht hegte als über eine
unkeusche schändliche Lebensweise des Hieronymus34 oder Ambrosius.35
Siehe was es ist, was du gehört hast: „Wenn diese Dinge am grünen Baum
geschehen sind, was geschieht dann am dürren Holz?“ „Die Frau ist ein 5
Feuer und ein Feuer, das bis zur Vernichtung verschlingt.“ Was aber die
jungen Leute über sich meinen, weiß ich nicht. Ich bin nämlich schon ein
Jahr weniger als 60 alt und schaudere in den von allen Seiten lärmenden
Übeln immer noch vor dem Fall der Schlüpfrigkeit.
[47] Ich erinnere mich an ein Geschehnis, das sich zu meiner Zeit nahe der 10
Diözese von Cambrai ereignete. Ein gewisser Kleriker, der von Jugend an
ehelos und keusch war, erlangte nach einem langen Studium der Theologie
in einer herkömmlichen Konventskirche eine Pfründe. Geleitet von seinem
Eifer für die Seelen tauschte er seine Pfründe gegen eine Pfarrkirche. Als er
in ihr sieben Jahre lang sehr erfolgreich und zuverlässig gearbeitet und 15
durch die Predigt und sein Vorbild Seelen für Christus gewonnen hatte, die
der Teufel wegzunehmen versuchte, geschah es, dass eine sechzigjährige
Jungfrau, die das Bußgewand dieses Priesters selbst zu waschen und zu
reinigen pflegte, alleine ohne eine Zeugin oder Gefährtin das Zimmer betrat.
Was weiter? Die Sache verkam zu einem so frevelhaften Unglück, dass 20
beide - der Priester und die Frau -, bevor sie sich trennten, der lange
behüteten Lilie ihrer Jungfräulichkeit und Keuschheit beraubt wurden. Aus
dieser Sache empfand die Frau freilich so viel Schmerz, dass sie wegen
allzu großer Bitterkeit beim Wehklagen ihren Tod beschleunigte. Auf
äußerst verkommene Weise aber verbleibt der erfahrene Priester bis heute 25
unerkannt in der Ausschweifung, wie wir glauben. Was Wunder? Umso
höher die Stellung, umso schwerer der Fall. Daher war der Fall der Engel zu
Recht unwiederbringlich.

’4///. Hieronymus (347/348-419/420), s. Anm. 8. | 35Hl. Ambrosius (339-397), s. Anm. 22.
 
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