Klöster im Hochmittelalter

5
10
15
20

BUA 11,32

699

machte und betete, Gefährten, die ihm später von hinten folgten, sehr häufig
sahen, dass er bis zur Höhe einer Elle von der Erde aufgehoben und durch
die Luft getragen wurde. Dasselbe wird auch von einer Nonne erzählt, die
wir vor vierzig Jahren in einem Kloster in Forest5 in Brabant gesehen haben:
In vielen Jahren wurde sie am Pfingsttag zur dritten Stunde, wenn im Chor 5
„Veni creator spiritus“ gesungen wurde, bis auf eine Elle von der Erde
emporgehoben und blieb bis zum Ende eben dieses Lobgesanges so
erhoben.6
[6] Als ich einst in meiner Jugend beschlossen hatte und beklagte, dass ich -
weil ich anderen Dingen hingegeben war - keine Zeit für Gebete aufbringen 10
konnte, antwortete mir ein gewisser Mensch von heiliger Lebensführung
und sagte: „Du sollst stets wenigstens einmal am Tag oder in der Nacht die
Zeit oder den Raum ergreifen, da du Gott mit freiem Geist ergeben anbetest,
denn solch ein Gebet zeichnet nämlich die Festigkeit der Tugend aus und
wendet die Wurfspeere des Feindes ab.“ 15
Rücklings, das heißt: demütig, sollst du dich, gläubige Biene, mit dem
Herzen im Gebet niederwerfen, damit du entweder die eigenen oder aber
fremde Sünden reinigst; und du sollst entweder die Gefahren des eigenen
Zustandes oder fremde Gefahren auseinander treiben, oder du sollst, indem
du himmlischen Verlangen anhängst, dem irdischen Exil dieses elenden 20
Fleisches entfliehen. Es folgt:

^Benediktinerinnenabtei von Forest/Vorst, südlich von Brüssel, gegründet 1104 durch den Abt
des Klosters Affligem. S. hierzu DESPY-MEYER, Abbaye de Forest. | 6Eine vergleichbare
Episode findet sich in der von Thomas verfassten Vita der Lutgard von Aywieres (Tongeren,
1182-1246; Mystikerin, zunächst Mitglied des Benediktinnerinenklosters von Saint-Trond,
später Zisterzienserin in Aywieres). S. Thom. Cantimpr. VitaS. Lutgardis I, 10 sowie für weitere
Informationen zu Lutgard Thom. Cantimpr. BUA 1,19,8.