Metadaten

Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0760
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5
10
15
20
25

BUA 11,40

755

das Gesicht eines Menschen, das ehrenvoller als jedes Abbild und zur
rechten Seite gewendet war, so dass kaum das rechte Auge gesehen werden
konnte. Die Nase war ziemlich lang und sehr gerade; die Augenbrauen
waren bogenförmig gewölbt; es hatte die reinsten und sehr bescheidene
Augen, langes Haar, das über die Schultern reichte, einen Bart, der 5
ungeschoren, unter dem Kinn gekrümmt und rund um den höchst
angenehmen Mund entfernt war; auf beiden Seiten des Kinns hatte es kleine
Vertiefungen fast ohne Haare, wie es sich gewöhnlich für junge Männer
schickt, welche von Kindheit an einen Bart gepflegt haben; es hatte eine
fröhliche Stirn, magere Wangen und einen langen Hals mit einem leicht 10
gebeugten Haupt. Diese Gestalt, diese Anmut des gütigsten Gesichts! Die
anderen pflegten das Bild jedoch auf andere Weise und zu einer anderen
Stunde zu sehen; die einen sahen einen, der am Kreuz ausgestreckt war, die
anderen einen, als ob er zum Gericht ginge, die meisten - und dies
mehrheitlich - sahen ihn in der Gestalt eines Knaben. 15
[3] Wie heilig aber und wie lobenswert es ist, täglich die Messe zu hören
oder wenigstens dann, wenn sich die Gelegenheit ergibt, will ich anhand
erwiesener Beispiele zeigen. Ein gewisser Priester aus der Provinz Dacia,3 ||
der Johannes hieß und aus einer Stadt stammte, die Sclavelos genannt wird,4 || machte
sich, wie ich aus dem höchst glaubwürdigen Bericht eines Bruders vom 20
Orden der Prediger aus der Dacia, eines guten und heiligen Mannes,
erfahren habe, als ich mit diesem aus Paris zurückkehrte, mit seinen
Landsleuten als Pilger ins Heilige Land auf. Nach der Überquerung des
Meeres kamen sie in der Ostemacht nach Jerusalem und wollten am
frühesten Morgen zurückgehen. Ihnen sagte der Priester: „Es ist der 25
heiligste Ostertag und hier ist der Ort der Auferstehung des Herrn; hört
zuvor die Messe und empfangt das Abendmahl, dann gehen wir zurück.“
Als alle das ablehnten und zurückgingen, blieb der Priester in der Stadt und
begann nach dem Sprechen der Messe und einem Frühstück allein den

3Die Ordensprovinz Dacia des Dominikanerordens umfasste geographisch die mittelalterlichen
Königreiche Dänemark, Schweden und Norwegen. S. für weitere Informationen Thom.
Cantimpr. BUA II, 1,8. | ‘'Mithilfe dieser Angaben ist die Figur des Priesters nicht eindeutig zu
identifizieren; auch im prosopographischen Lektorenverzeichnis bei SCHÜTZ, Hüter der
Wirklichkeit, S. 309-311, findet sich keine passende Angabe für einen Priester namens Johannes
oder Andreas (Lesart P2).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften