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Übung so geschaffen, dass sie inwendig stets durchdrungen werden wollen.“
Und siehe, was derselbe hochheilige Augustinus in seinem „Buch über das
Werk der Mönche“9 zu jenen sagt, die sich ohne die Erbauung der
Gläubigen mit den heiligen Schriften abmühen. „Wir wollen uns“, sagt er,
„mit den Brüdern austauschen, die ermüdet zu uns aus der Unruhe der Zeit 5
gekommen sind; wir wollen mit ihnen sprechen, sie trösten, ermuntern,
anregen und uns an ihnen erbauen, wenn wir sehen, dass etwas in ihrem
Leben für ihren Rang fehlt. Wenn wir solche Werke nicht tun, empfangen
wir auf gefährliche Weise eine geistige Nahrung vom Herrn.“
[5] Wie wahr aber und wie wirksam jener Lehrsatz des Jesaja ist, nämlich: 10
„Alle, die flechten und fein weben, werden sich schämen“, wollen wir
anhand eines höchst einleuchtenden Beispiels beinahe aus unserer Zeit
sehen. Magister Simon von Toumai lehrte in Paris Theologie und war in
seiner Zeit herausragend;10 aber gegen den Anstand seines Amtes war er
über die Maße zügellos und hochmütig. Er hatte mehr Zuhörer als alle 15
Lehrer der Stadt, und als er einmal in der Schule in Gegenwart aller eine
Untersuchung über die höchste Demut der Lehre Christi nach Abhalten
einer Erörterung beendete, war er am Ende schließlich einem verwerflichen
Gefühl hingegeben und brach in verfluchenswerte Worte der
Gotteslästerung gegen Christus aus. „Es gibt“, sagte er, „drei, welche die 20
Welt ihren Sekten und Dogmen unterwerfen: Moses, Jesus und Mohammed.
Zuerst hat Moses das jüdische Volk betört, dann Jesus Christus, nach dessen
Namen die Christen benannt sind, und schließlich hat Mohammed ein
heidnisches Volk betört.“
Wenig später kehrten sich seine Augen heraus, und er stieß anstelle einer 25
menschlichen Stimme ein Rinderbrüllen aus und wurde sofort von einem
Krampfanfall zu Boden geschmettert; am dritten Tag aber empfing er die
Strafe dieser Krankheit. Der Allmächtige traf ihn mit einer unheilbaren
Plage und beraubte ihn allen Wissens bis zu den ersten Buchstaben der
9De opere monachorum, entstanden um 401. | wSimon von Toumai (um 1130-um 1201 703),
Magister der Theologie, lehrte ab 1165 an der Universität Paris. S. hierzu GLORIEUX,
Repertoire I, Nr. 101, S. 232-233 sowie MADEY, Art. „Simon von Toumai“. Zur Verarbeitung
seiner Geschichte im „Bienenbuch“ s. außerdem GAZZIERO, Simon de Toumai sowie SCHÜRER,
Das Exemplum, S. 143-144.
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Übung so geschaffen, dass sie inwendig stets durchdrungen werden wollen.“
Und siehe, was derselbe hochheilige Augustinus in seinem „Buch über das
Werk der Mönche“9 zu jenen sagt, die sich ohne die Erbauung der
Gläubigen mit den heiligen Schriften abmühen. „Wir wollen uns“, sagt er,
„mit den Brüdern austauschen, die ermüdet zu uns aus der Unruhe der Zeit 5
gekommen sind; wir wollen mit ihnen sprechen, sie trösten, ermuntern,
anregen und uns an ihnen erbauen, wenn wir sehen, dass etwas in ihrem
Leben für ihren Rang fehlt. Wenn wir solche Werke nicht tun, empfangen
wir auf gefährliche Weise eine geistige Nahrung vom Herrn.“
[5] Wie wahr aber und wie wirksam jener Lehrsatz des Jesaja ist, nämlich: 10
„Alle, die flechten und fein weben, werden sich schämen“, wollen wir
anhand eines höchst einleuchtenden Beispiels beinahe aus unserer Zeit
sehen. Magister Simon von Toumai lehrte in Paris Theologie und war in
seiner Zeit herausragend;10 aber gegen den Anstand seines Amtes war er
über die Maße zügellos und hochmütig. Er hatte mehr Zuhörer als alle 15
Lehrer der Stadt, und als er einmal in der Schule in Gegenwart aller eine
Untersuchung über die höchste Demut der Lehre Christi nach Abhalten
einer Erörterung beendete, war er am Ende schließlich einem verwerflichen
Gefühl hingegeben und brach in verfluchenswerte Worte der
Gotteslästerung gegen Christus aus. „Es gibt“, sagte er, „drei, welche die 20
Welt ihren Sekten und Dogmen unterwerfen: Moses, Jesus und Mohammed.
Zuerst hat Moses das jüdische Volk betört, dann Jesus Christus, nach dessen
Namen die Christen benannt sind, und schließlich hat Mohammed ein
heidnisches Volk betört.“
Wenig später kehrten sich seine Augen heraus, und er stieß anstelle einer 25
menschlichen Stimme ein Rinderbrüllen aus und wurde sofort von einem
Krampfanfall zu Boden geschmettert; am dritten Tag aber empfing er die
Strafe dieser Krankheit. Der Allmächtige traf ihn mit einer unheilbaren
Plage und beraubte ihn allen Wissens bis zu den ersten Buchstaben der
9De opere monachorum, entstanden um 401. | wSimon von Toumai (um 1130-um 1201 703),
Magister der Theologie, lehrte ab 1165 an der Universität Paris. S. hierzu GLORIEUX,
Repertoire I, Nr. 101, S. 232-233 sowie MADEY, Art. „Simon von Toumai“. Zur Verarbeitung
seiner Geschichte im „Bienenbuch“ s. außerdem GAZZIERO, Simon de Toumai sowie SCHÜRER,
Das Exemplum, S. 143-144.