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er mir für jene schädlichen und viele weitere Dinge verzeiht und mich nicht
nach meinen Taten richtet, sondern mich gemäß seiner Barmherzigkeit
erlöst.“ Bald als er diese Worte vollendet hatte und alle in Tränen aufgelöst
„Amen“ geantwortet hatten, starb er. Und hier erinnern wir uns freilich an
die ehrwürdigste Esther, die - nachdem sie über den ganzen Ruhm der Welt 5
gestellt worden war - sagte: „Weil alle unsere Gerechtigkeit wie ein
beflecktes Kleid ist.“
[10] Aber hier ist auch bemerkenswert, dass wir von vielen lesen, dass sie
im Tod ausgelassen waren und, indem sie gleichsam schon dem
himmlischen Ruhm zuvorkamen, im Jubel süß gesungen hatten. Und wie 10
sich dies in einem Exempel offenbart, wollen wir nun hören. Ein gewisser
Bruder des Predigerordens, || der von guter und heiliger Lebensführung war, war
Lektor der Predigerbrüder || im Haus zu Brügge in Flandern.8 Als dieser sich,
sehr geschwächt, mit dem heitersten Gesichtsausdruck dem Tod zu nähern
schien, flehte ein gewisser Bruder unter Tränen, dass er, wenn er vom Herrn 15
im Innern etwas Trost empfangen hätte, sich entschließen sollte, ihm dies zu
sagen. Ihm sagte jener, weil er vor Freude nicht schweigen konnte: „Ich
habe wahrhaft etwas empfangen, weil der Herr Jesus selbst versprochen hat,
dass er persönlich bei meinem Tod zur Stelle sein werde.“ Ihm sagte der
Bruder: „Und ich beschwöre dich durch denselben Herrn, dass du mir mit 20
dem Finger oder einem Nicken ein Zeichen gibst, wenn du siehst, dass er
hier ist.“ Und jener sagte: „Das will ich gerne tun, freilich wenn es mir der
Herr erlaubt.“ Als sich bald darauf, am dritten Tag, die Krankheit
verschlimmerte, wurde heftig das Signalbrett geschlagen und die Brüder
liefen in die Krankenstation.9 Während die Brüder also geduldig warteten 25
und beteten, streckte der sterbende Bruder den Finger mit der Hand zu
einem gewissen Ort aus und begann mit bedeckten Augen in einer zarten
Melodie zu sagen: „In Galiläa werden wir Jesus sehen, wie er es euch gesagt
hat. Halleluja.“ Als er geendet hatte, starb er sofort. Diejenigen aber, die
anwesend waren, haben mir diese Dinge mit Freude und unter Tränen 30
berichtet.
sDie Gründung des Dominikanerklosters in Brügge erfolgte um 1233 durch Johanna von
Konstantinopel (1200-1244), Gräfin von Flandern. S. für weitere Informationen Thom.
Cantimpr. BUA 11,10,19. | 9Durch das Schlagen an das Signalbrett wurden die Brüder des
gesamten Klosters zum Sterbenden ins Infirmarium gerufen, um ihn dort gemeinschaftlich aus
dem Leben zu verabschieden. S. hierzu sowie allgemein zum Umgang mit sterbenden Brüdern in
benediktinischen undzisterziensischen Klöstern SONNTAG, Klosterleben, S. 473-481.
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er mir für jene schädlichen und viele weitere Dinge verzeiht und mich nicht
nach meinen Taten richtet, sondern mich gemäß seiner Barmherzigkeit
erlöst.“ Bald als er diese Worte vollendet hatte und alle in Tränen aufgelöst
„Amen“ geantwortet hatten, starb er. Und hier erinnern wir uns freilich an
die ehrwürdigste Esther, die - nachdem sie über den ganzen Ruhm der Welt 5
gestellt worden war - sagte: „Weil alle unsere Gerechtigkeit wie ein
beflecktes Kleid ist.“
[10] Aber hier ist auch bemerkenswert, dass wir von vielen lesen, dass sie
im Tod ausgelassen waren und, indem sie gleichsam schon dem
himmlischen Ruhm zuvorkamen, im Jubel süß gesungen hatten. Und wie 10
sich dies in einem Exempel offenbart, wollen wir nun hören. Ein gewisser
Bruder des Predigerordens, || der von guter und heiliger Lebensführung war, war
Lektor der Predigerbrüder || im Haus zu Brügge in Flandern.8 Als dieser sich,
sehr geschwächt, mit dem heitersten Gesichtsausdruck dem Tod zu nähern
schien, flehte ein gewisser Bruder unter Tränen, dass er, wenn er vom Herrn 15
im Innern etwas Trost empfangen hätte, sich entschließen sollte, ihm dies zu
sagen. Ihm sagte jener, weil er vor Freude nicht schweigen konnte: „Ich
habe wahrhaft etwas empfangen, weil der Herr Jesus selbst versprochen hat,
dass er persönlich bei meinem Tod zur Stelle sein werde.“ Ihm sagte der
Bruder: „Und ich beschwöre dich durch denselben Herrn, dass du mir mit 20
dem Finger oder einem Nicken ein Zeichen gibst, wenn du siehst, dass er
hier ist.“ Und jener sagte: „Das will ich gerne tun, freilich wenn es mir der
Herr erlaubt.“ Als sich bald darauf, am dritten Tag, die Krankheit
verschlimmerte, wurde heftig das Signalbrett geschlagen und die Brüder
liefen in die Krankenstation.9 Während die Brüder also geduldig warteten 25
und beteten, streckte der sterbende Bruder den Finger mit der Hand zu
einem gewissen Ort aus und begann mit bedeckten Augen in einer zarten
Melodie zu sagen: „In Galiläa werden wir Jesus sehen, wie er es euch gesagt
hat. Halleluja.“ Als er geendet hatte, starb er sofort. Diejenigen aber, die
anwesend waren, haben mir diese Dinge mit Freude und unter Tränen 30
berichtet.
sDie Gründung des Dominikanerklosters in Brügge erfolgte um 1233 durch Johanna von
Konstantinopel (1200-1244), Gräfin von Flandern. S. für weitere Informationen Thom.
Cantimpr. BUA 11,10,19. | 9Durch das Schlagen an das Signalbrett wurden die Brüder des
gesamten Klosters zum Sterbenden ins Infirmarium gerufen, um ihn dort gemeinschaftlich aus
dem Leben zu verabschieden. S. hierzu sowie allgemein zum Umgang mit sterbenden Brüdern in
benediktinischen undzisterziensischen Klöstern SONNTAG, Klosterleben, S. 473-481.