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diese gemischt hat, wollen wir nun kurz hören. Ein Hüter von Weinbergen
verbarg sich nahe einer Hütte vor dem nahenden Gewitter; und er hörte
Stimmen von Rufenden in der Luft: „Hüte dich, hüte dich!“ Und ein anderer
antwortete: „Wovor soll ich mich hüten?“ Und der erste: „Du sollst den
Weinberg des Petrus Richardus nicht beschädigen!“ Als sich also bald 5
darauf das Gewitter beruhigt hatte, fand sich allein der Weinberg des Petrus
Richardus unversehrt von Schaden. Petrus Richardus aber, so wurde er
nämlich mit zwei Namen genannt, war der schlimmste Wucherer und
behaftet mit zahlreichen Übeln. Dies muss man erwägen, weil er im Gefolge
ruchloser Seelen als Freunde, || oder vielmehr als Feinde || (um es besser zu 10
sagen), Dämonen hatte, die ihm seine Güter zwar zur Vergütung des
Lebens, aber dennoch zur Krönung der ewigen Verdammnis bewahrt hatten.
Soviel zu den Schäden.
[4] Wie aber die Dämonen mit der Erlaubnis Gottes am Tod von Menschen
mitwirken, wollen wir nun hören. In einem Bezirk der Mark Flandern und 15
Brabant befindet sich ein ausgesprochen zahlreich bevölkertes Dorf, in dem
eine Kirchweihe viele zu Vorführungen und zum Spiel herbeigelockt hatte.
Unter ihnen war, wie wir von Magister Wilhelm, einem guten und
gebildeten Priester, der gebürtig aus jener Gegend stammte, erfahren haben,
ein gewisser Flötenspieler, der die tanzenden Jungen und Mädchen mit 20
seinen Tänzen und Pantomimen zu schamlosen und unsittlichen Liedern
aufwiegelte.* * 4 Als sich darauf gegen Abend der Himmel mit Wolken
verdunkelte, kehrten sie nach Hause zurück. Allein der Flötenspieler hatte
der Spiele noch nicht genug; auf seinem Weg kehrte er zu seinen
Gewohnheiten zurück, blies die Flöte, tanzte und ließ auf hässliche Weise 25
aus den hinteren Teilen Töne erklingen.5 Währenddessen sahen zwei junge
Hirten Blitze und Donner auftauchen, flüchteten ins Dickicht, und unter
ihren Blicken fuhr der Blitzschlag in den Flötenspieler, tötete ihn und hieb
ihm einen Arm ab. Sofort darauf sahen die Jungen, dass unvermutet zwei
rabenschwarze Hunde herbeikamen und untereinander den herabhängenden 30
Arm des Getöteten fortschafften. || Als die Knaben nach dem Gewitter davon
^Einmal mehr erzählt Thomas eine Geschichte über einen Flötenspieler, um Maßloßigkeit in
Tanz und Musik zu geißeln. S. bereits Thom. Cantimpr. 11,-19,21 sowie zu mittelalterlichen
Normvorstellungen in Bezug auf das Tanzen ROHMANN, Tanzwut, S. 172-174 und 180-192.
5Zur Übersetzung von posteriorum vgl. VAN DER VET, Het Bienboc, S. 140f. sowie PLATELLE, Les
exemples, S. 313.
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diese gemischt hat, wollen wir nun kurz hören. Ein Hüter von Weinbergen
verbarg sich nahe einer Hütte vor dem nahenden Gewitter; und er hörte
Stimmen von Rufenden in der Luft: „Hüte dich, hüte dich!“ Und ein anderer
antwortete: „Wovor soll ich mich hüten?“ Und der erste: „Du sollst den
Weinberg des Petrus Richardus nicht beschädigen!“ Als sich also bald 5
darauf das Gewitter beruhigt hatte, fand sich allein der Weinberg des Petrus
Richardus unversehrt von Schaden. Petrus Richardus aber, so wurde er
nämlich mit zwei Namen genannt, war der schlimmste Wucherer und
behaftet mit zahlreichen Übeln. Dies muss man erwägen, weil er im Gefolge
ruchloser Seelen als Freunde, || oder vielmehr als Feinde || (um es besser zu 10
sagen), Dämonen hatte, die ihm seine Güter zwar zur Vergütung des
Lebens, aber dennoch zur Krönung der ewigen Verdammnis bewahrt hatten.
Soviel zu den Schäden.
[4] Wie aber die Dämonen mit der Erlaubnis Gottes am Tod von Menschen
mitwirken, wollen wir nun hören. In einem Bezirk der Mark Flandern und 15
Brabant befindet sich ein ausgesprochen zahlreich bevölkertes Dorf, in dem
eine Kirchweihe viele zu Vorführungen und zum Spiel herbeigelockt hatte.
Unter ihnen war, wie wir von Magister Wilhelm, einem guten und
gebildeten Priester, der gebürtig aus jener Gegend stammte, erfahren haben,
ein gewisser Flötenspieler, der die tanzenden Jungen und Mädchen mit 20
seinen Tänzen und Pantomimen zu schamlosen und unsittlichen Liedern
aufwiegelte.* * 4 Als sich darauf gegen Abend der Himmel mit Wolken
verdunkelte, kehrten sie nach Hause zurück. Allein der Flötenspieler hatte
der Spiele noch nicht genug; auf seinem Weg kehrte er zu seinen
Gewohnheiten zurück, blies die Flöte, tanzte und ließ auf hässliche Weise 25
aus den hinteren Teilen Töne erklingen.5 Währenddessen sahen zwei junge
Hirten Blitze und Donner auftauchen, flüchteten ins Dickicht, und unter
ihren Blicken fuhr der Blitzschlag in den Flötenspieler, tötete ihn und hieb
ihm einen Arm ab. Sofort darauf sahen die Jungen, dass unvermutet zwei
rabenschwarze Hunde herbeikamen und untereinander den herabhängenden 30
Arm des Getöteten fortschafften. || Als die Knaben nach dem Gewitter davon
^Einmal mehr erzählt Thomas eine Geschichte über einen Flötenspieler, um Maßloßigkeit in
Tanz und Musik zu geißeln. S. bereits Thom. Cantimpr. 11,-19,21 sowie zu mittelalterlichen
Normvorstellungen in Bezug auf das Tanzen ROHMANN, Tanzwut, S. 172-174 und 180-192.
5Zur Übersetzung von posteriorum vgl. VAN DER VET, Het Bienboc, S. 140f. sowie PLATELLE, Les
exemples, S. 313.