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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0046
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Straßburg

machte der Magistrat den Erwerb des Bürgerrechts schließlich für alle in Straßburg ansässigen und
bepfründeten Geistlichen zur Pflicht52. Ein weiterer Schritt zur Integration in die städtische Gesellschaft
war die Verheiratung mit Straßburger Bürgertöchtern. Ende 1523 und Anfang 1524 gab es eine regelrechte
Welle von Eheschließungen der Geistlichen53.
Am 1. Dezember 1523 erließ der Magistrat ein Mandat, wonach von den Kanzeln nurmehr das Evan-
gelium verkündigt werden sollte. Im Februar 1524 fand die erste Deutsche Messe in Straßburg statt.
Innerhalb kurzer Zeit kam es dann zu einer Umgestaltung der Gottesdienste. Auch das Erscheinungsbild
der Kirchen änderte sich: Bilder, Statuen und andere Kirchenzierden wurden nach und nach aus den
Gebäuden entfernt und die Wände weiß gestrichen. An die Stelle der Altäre rückte ein Tisch aus Holz. Das
Jahr 1526 markiert den Beginn des kirchlichen Unterrichts in Straßburg. Eine Reform des Schulwesens
setzte Ende der zwanziger Jahre mit der Berufung der Scholarchen ein; in der Folge profitierte das Schul-
wesen wie die Armenversorgung von den durch die fortschreitende Auflösung der Klöster freiwerdenden
finanziellen Mittel. Mit der Abschaffung der Messe im Februar 1529 hatte sich die Reformation in Straß-
burg endgültig durchgesetzt.
1a und b. Armenordnung, längere und kürzere Fassung, 4. August 1523 und [1. Oktober] 1523 (Text S. 107)
Die Straßburger „Nüwe Ordenunge der armen“ vom 4. August 1523 gehört zu den frühesten Armenord-
nungen der Reformationszeit im Reich54. Ihr vorrangiges Ziel war eine geordnete Versorgung der eigenen
Armen und die Eindämmung des Bettelns.
Bereits im Jahr 1464 hatte die Stadt Straßburg eine Bettelordnung erlassen. In ihr legte der Magistrat
fest, daß nur solche Bürger (von alter har burgere) um Almosen bitten dürften, die sich aufgrund verlicher
armut und schwacheit oder krankheit halb ires libes nicht anders ernähren könnten. Zur Überwachung setzte
er zwei Bettelvögte ein. Arbeitsfähige Bettler mußten bei ihrer Entdeckung mit einer Buße rechnen. Kinder
sollten ab einem gewissen Alter zur Arbeit gezwungen werden. Da anscheinend vor allem unter den Schult-
heißenbürgern55 viele Bettler zu finden waren, untersagte der Magistrat dem bischöflichen Schultheißen,
Fremde ohne Vermögen als Kleinbürger aufzunehmen, es sei denn, diese verpflichteten sich eidlich zum
Verzicht auf das Almosen. Fremden wurde das Betteln in der Stadt nurmehr für drei Tage gestattet; danach
sollten sie der Stadt verwiesen werden. In der Neuordnung von 1506 wurde diese Frist auf einen Tag
verkürzt. Hier ist auch die Ausgabe von Marken zur Kennzeichnung der zum Betteln zugelassenen Armen
erwähnt56. Die Mandate von 1464 und 1506 sind Ausdruck einer geänderten Haltung der Obrigkeit, die das
Betteln als ein sozial unerwünschtes Verhalten und als einen Verstoß gegen die Ordnung im Gemeinwesen
(die gute policey) ansah. Almosen sollten nur den wirklich Bedürftigen zugute kommen und unter diesen
wiederum vor allem den einheimischen Armen; Fremde suchte man von der Unterstützung auszuschlie-
ßen57.
Die Straßburger Armenordnung von 1523 orientiert sich stark an der „Ordnung des großen allmusens
Haußarmer leut“ der Reichsstadt Nürnberg vom September 152258: Als Leiter des städtischen Almosens
fungieren in Nürnberg zwei aus den Reihen des Rates gewählte Oberpfleger. Ihnen zur Seite stehen zehn
Unterpfleger aus der Bürgerschaft; zwei Vertreter aus deren Reihen führen jeweils für ein halbes Jahr die
Geschäfte. Die eigentliche Arbeit liegt auf den Schultern von vier Almosenknechten, die im Unterschied zu

52 Vgl. dazu Baum, Magistrat, S. 51-73 und S. 204-212.
53 Vgl. Stafford, Clergy, S. 153-165; Buckwalter,
Priesterehe, S. 221-241.
54 Vgl. den Überblick zu den frühen Armenordnungen in
Pischel, Armenordnungen, S. 320-322 und TRE,
Bd. 2, S. 29-34.

55 Zu den Schultheißenbürgern vgl. die Einleitung S. 23f.
56 Abdruck der beiden Ordnungen von 1464 und 1506 in
Winckelmann, Fürsorgewesen 2, Nr. 38, S. 83-87.
57 Vgl. Kreiker, Armut, S. 29-35.
58 Edition der Nürnberger Almosenordnung in Sehling,
EKO XI,1, S. 23-32.

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