54. Mandat gegen Schmähschriften und -reden
54. Mandat gegen Schmähschriften und -redena
22. April 1581
Liebe Freund, unsere Herren Meister und Rhat
sampt iren Freunden, den Ein und zwentzigen, ha-
ben mit beschwerden nun ettliche zeit her vernom-
men, das sich zwischen etlichen under euch von we-
gen etlicher streitigen Religions Puncten allerhand
beschwerlichel reden und schädliche gezänck hin
und wider bey den Mahlzeiten, Zechen oder andern
zuosamen kunfften begeben2, Das auch bey wenig
wochen her etliche Schmach gedicht und schrifften
inn Lateinischer und Teutscher spraach hin und wi-
der angekleibt und auff den gassen gefunden wor-
den3, dardurch Auffrhuor in diser Statt durch frid-
häßige, boßhafftige gemüter zuoerregen gesuocht unnd
understanden, Wie dann inn einem kurtzlich gefun-
denen Teutschen zedell außtruckenlich gemeldet
würdt, das allbereit etliche hundert Burger von den
Handtwercken, darunder vil von den Gartnern4 und
Tagwerckern, sich zuosamen verbunden, wann es an-
gang, dapffer darzuo zuohelffen etc.5
a Textvorlage (Einblattdruck): AMS 1 AST 84, Nr. 94.
Das Mandat ist unterschrieben mit p[rotonotariusj
Hochfelder. Der Druck trägt auf der Rückseite hand-
schriftliche Vermerke von zwei Schreibern: [1] Decretum
de anno 1582 [sic] wegen abstellung aller schmäh wortt
und schrifften wider die religion. [2]: Erinnerung ahn die
burger religion zancks halb. / Herr Wolffgang Schötteler,
Herr Niclaus Hugo Kniebis, Herr Josias Rihell. / Küef-
fer, Metzger, Encker, Vischer. / Zinstag ipsa Marci
evangeliste, 25. Aprilis anno etc. 81.
1 Kränkende, Ärger erregende, s. FWb 3, Sp. 1793f.
2 Gemeint sind die Auseinandersetzungen zwischen Pap-
pus und dem Kirchenkonvent auf der einen und der Par-
tei Johannes Sturms, des Rektors der Akademie, auf der
anderen Seite. Das Jahr 1581 bildete den Höhepunkt der
Kontroverse zwischen Sturm und Pappus; am 29. April
wurden die beiden Kontrahenten vom Magistrat mit
einem Publikationsverbot belegt (abgedruckt in
Fournier / Engel, Statuts 4,1, Nr. 2091, S. 220).
Vgl. dazu die Einleitung S. 94-96.
Wiewol nun kein Ehrlicher Mann, nit allein auß
Christlicher liebe gegen seinem nechsten, sonder
auch umb der hohen verpflichtung und erinnerung
willen, so järlich vor dem Münster, deßgleichen auff
allen Zünfften geschicht, solche Auffrhürische hän-
del und was zuo zerrüttung Burgerlichen fridlichen
wesens ursach geben mag, belieben6, vil weniger dar-
zuo helffen würt oder kan, Dieweil wir alle Burger
einer Statt und einer billich gegen dem andern
nichts fürzuonemmen understehn soll, das ihm von
eim andern zuo leiden beschwerlich oder zuo wider sein
würdt, So will doch umb böser fridhäßiger, unrüwi-
ger Leut willen, der auß obangeregten schwebenden
reden unnd angekleibten Schmach- unnd Schandt-
schrifften entstehender gefahr zeitlich zuo begegnen,
die höchste und eusserste notturfft erfordern. Der-
halben lassen unsere herren euch alle und einen je-
den bey seinem Burger eydt erinnern und ihm dar-
bey befehlen, das je einer den andern, fürnemlich
der Religion und dergleichen sachen halben, so das
gewüssen betreffen, mit worten unnd wercken unan-
3 Am 1. April waren an die Mauern der Kanzlei und der
Pfalz sogenannte „Schmähzettel“ angeklebt worden; der
Urheberschaft bezichtigte man die Reformierten. Zwei
Wochen später wurden dann Schmählieder in der Stadt
verbreitet. Vgl. Adam, Kirchengeschichte Straßburg,
S. 347f.
4 In der Zunft der Gartner waren diejenigen zusammen-
gefaßt, die landwirtschaftliche Produkte anbauten und
mit ihnen handelten oder die Viehzucht betrieben.
5 Am 21. April erhielt der Ammeister einen anonymen
Brief, in welchem mit Aufruhr gedroht wurde. Für den
folgenden Mittwoch, den 25. April, wurde die Erstür-
mung der Pfalz und des Stadtgerichts angekündigt.
Etwa 1600 Handwerker sollten zum Losschlagen bereit-
stehen. Der Magistrat wurde der Unterstützung der
„Zwinglianer“ und der Unterdrückung der Prediger be-
schuldigt. Vgl. Adam, Kirchengeschichte Straßburg,
S. 348.
6 Anhängen, s. FWb 3, Sp. 1222.
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54. Mandat gegen Schmähschriften und -redena
22. April 1581
Liebe Freund, unsere Herren Meister und Rhat
sampt iren Freunden, den Ein und zwentzigen, ha-
ben mit beschwerden nun ettliche zeit her vernom-
men, das sich zwischen etlichen under euch von we-
gen etlicher streitigen Religions Puncten allerhand
beschwerlichel reden und schädliche gezänck hin
und wider bey den Mahlzeiten, Zechen oder andern
zuosamen kunfften begeben2, Das auch bey wenig
wochen her etliche Schmach gedicht und schrifften
inn Lateinischer und Teutscher spraach hin und wi-
der angekleibt und auff den gassen gefunden wor-
den3, dardurch Auffrhuor in diser Statt durch frid-
häßige, boßhafftige gemüter zuoerregen gesuocht unnd
understanden, Wie dann inn einem kurtzlich gefun-
denen Teutschen zedell außtruckenlich gemeldet
würdt, das allbereit etliche hundert Burger von den
Handtwercken, darunder vil von den Gartnern4 und
Tagwerckern, sich zuosamen verbunden, wann es an-
gang, dapffer darzuo zuohelffen etc.5
a Textvorlage (Einblattdruck): AMS 1 AST 84, Nr. 94.
Das Mandat ist unterschrieben mit p[rotonotariusj
Hochfelder. Der Druck trägt auf der Rückseite hand-
schriftliche Vermerke von zwei Schreibern: [1] Decretum
de anno 1582 [sic] wegen abstellung aller schmäh wortt
und schrifften wider die religion. [2]: Erinnerung ahn die
burger religion zancks halb. / Herr Wolffgang Schötteler,
Herr Niclaus Hugo Kniebis, Herr Josias Rihell. / Küef-
fer, Metzger, Encker, Vischer. / Zinstag ipsa Marci
evangeliste, 25. Aprilis anno etc. 81.
1 Kränkende, Ärger erregende, s. FWb 3, Sp. 1793f.
2 Gemeint sind die Auseinandersetzungen zwischen Pap-
pus und dem Kirchenkonvent auf der einen und der Par-
tei Johannes Sturms, des Rektors der Akademie, auf der
anderen Seite. Das Jahr 1581 bildete den Höhepunkt der
Kontroverse zwischen Sturm und Pappus; am 29. April
wurden die beiden Kontrahenten vom Magistrat mit
einem Publikationsverbot belegt (abgedruckt in
Fournier / Engel, Statuts 4,1, Nr. 2091, S. 220).
Vgl. dazu die Einleitung S. 94-96.
Wiewol nun kein Ehrlicher Mann, nit allein auß
Christlicher liebe gegen seinem nechsten, sonder
auch umb der hohen verpflichtung und erinnerung
willen, so järlich vor dem Münster, deßgleichen auff
allen Zünfften geschicht, solche Auffrhürische hän-
del und was zuo zerrüttung Burgerlichen fridlichen
wesens ursach geben mag, belieben6, vil weniger dar-
zuo helffen würt oder kan, Dieweil wir alle Burger
einer Statt und einer billich gegen dem andern
nichts fürzuonemmen understehn soll, das ihm von
eim andern zuo leiden beschwerlich oder zuo wider sein
würdt, So will doch umb böser fridhäßiger, unrüwi-
ger Leut willen, der auß obangeregten schwebenden
reden unnd angekleibten Schmach- unnd Schandt-
schrifften entstehender gefahr zeitlich zuo begegnen,
die höchste und eusserste notturfft erfordern. Der-
halben lassen unsere herren euch alle und einen je-
den bey seinem Burger eydt erinnern und ihm dar-
bey befehlen, das je einer den andern, fürnemlich
der Religion und dergleichen sachen halben, so das
gewüssen betreffen, mit worten unnd wercken unan-
3 Am 1. April waren an die Mauern der Kanzlei und der
Pfalz sogenannte „Schmähzettel“ angeklebt worden; der
Urheberschaft bezichtigte man die Reformierten. Zwei
Wochen später wurden dann Schmählieder in der Stadt
verbreitet. Vgl. Adam, Kirchengeschichte Straßburg,
S. 347f.
4 In der Zunft der Gartner waren diejenigen zusammen-
gefaßt, die landwirtschaftliche Produkte anbauten und
mit ihnen handelten oder die Viehzucht betrieben.
5 Am 21. April erhielt der Ammeister einen anonymen
Brief, in welchem mit Aufruhr gedroht wurde. Für den
folgenden Mittwoch, den 25. April, wurde die Erstür-
mung der Pfalz und des Stadtgerichts angekündigt.
Etwa 1600 Handwerker sollten zum Losschlagen bereit-
stehen. Der Magistrat wurde der Unterstützung der
„Zwinglianer“ und der Unterdrückung der Prediger be-
schuldigt. Vgl. Adam, Kirchengeschichte Straßburg,
S. 348.
6 Anhängen, s. FWb 3, Sp. 1222.
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