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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0312
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Straßburg

26b. Munizipalstatut, deutsche Fassunga
9. September 1539
Municipal statut eins ersamen rhats der statt Straßburg, von einem examen zu halten dern, so hinfürter
pfrunden erlangen und annemen wöllen etc., XVCXXXIX geordnet, erkant und den stifften
sich dessen hinfürt zu halten bevohlen

αNach dem ein ersamer rhat diser statt Straßburg
uss allerley christenlichen unnd guten ursachen die
römischen unnd curtisanischen1 practicken und pro-
cesß, so zu erlangung der pfrunden geschwindig-
lich2 unnd wider alle satzungen unnd ordenungen
der alten canonum und kirchen recht bißher geübt
worden, lenger nit mer inn irer statt und oberkeit zu
gedulden gewißt, den selben ouch ferrer zu pariren
verbotten, der hoffnung, es solte dodurch der
schwär unnd schädlich mißbruch, das die pfrunden
zum mehren theil solichen personen verluhen3 wer-
den, die zum dienst der kirchenn untauglich gewe-
sen, geringert unnd mit der zit gar abgestellet sein
werden, so befindt doch ein ersamer rhat inn der
erfarung4, das soliche mißbrüch dodurch nit allein
nit fürkommen, sonder sich by etlichen von tag zu
tag je beschwerlicher unnd so vil mehr ynrissen, so
vil sie der curtisanischen procesß und anfechtungen
des orts fryer unnd sicherer sind.
Dann was sich mit offentlichen kouffen und ver-
kouffen, |36| ouch andern simonyschen contracten,
inn verlyhung unnd erlangung der pfrunden täglich
zu tregt, was ouch fleischlicher gunst unnd willen on
alles ansehen, wie touglich die personen zum kirchen
dienst syen, inn verlyhung der pfrunden vermag,
das ligt nummen5 zu vyl offentlich am tag, βalso das

α Ursach des statutes.
β Junge kinder.
γ Dienst, verwantschefft, gunst.
δ Vil pfrunden haben.
ε Frumme und nutzliche werden umbgangen.
ζ Letster wil verletzet.
a Textvorlage (Handschrift): AMS 1 AST 23, Nr. 4. Ex-
emplar für das Stift Alt St. Peter. Weitere Handschrif-
ten: AMS 1 AST 23, Nr. 1 (Abschrift des 17. Jh.);
StArch. Ludwigsburg B 169 Büschel 36b (Titel: Statu-
tum municipale der hhln. Geistlichkeit zu Straßburg,
Abschrift des 16. Jh.). Abdruck: Bussière, Histoire du

weder alter noch geschicklicheit angesehen, sonder
die nutzungen der pfrunden zu gestelt werden zu zi-
ten jungen kindern, do man wenig wissens haben
mag, wie sie noch gerathen wollenn, zu ziten soli-
chen jungen und erwachsenen, do man nit allain
weiß, das sie zum kirchen dienst untouglich unnd
ungeschickt, sonder ouch sonst eins unerbern erger-
lichens lebens, γallein das sie fleischlicher wyß ver-
want oder verdient oder sonst begünstiget sindt.
δSo pleibt daneben auch der schedlich und lang
geubt mißbruch, das einer mer pfrunden annimpt,
dann er zu siner notturfftigen narung bedurff und
umb die kirch zu verdienen weder gedenckt noch
vermag, εdurch welches alles dann fil frommer, ge-
lerter, gebrüchlicher und geschickter lüt, jung und
alt, dern ein theil algereid6 im kirchen- und schul-
dienst trüwlich und nützlich arbeiten, ein theil groß
hoffnung dozu geben, unversehen bliben, die kirch
mit der zit yres dienstes beroubt, Gott, der herr,
schwerlich erzurnet, ζder |37| letst will vyler from-
men, lieben christen, die das yr zu sollichen stifftun-
gen geben, zum hochsten verletzt unnd also gemeine
wolfart der kirchen inn der statt und anderßwo zum
schedlichsten verhindert würt.

développement 2, Nr. IV, S. 333-337; Bucer, Deutsche
Schriften 7, S. 572-575.
1 Mit kurtisan wird ein päpstlicher Höfling oder ein Geist-
licher bezeichnet, der sich durch ein päpstliches Breve
eine Pfründe verschafft.
2 Geschickt, listig, s. Grimm, DWb 5, Sp. 4001.
3 Verliehen.
4 So gelangt der Rat [...] zu der Erkenntnis.
5 Nur, s. Wb. d. elsäss. Mundarten 1, S. 773f.; Grimm,
DWb 13, Sp. 981.
6 Bereits, s. FWb 1, Sp. 772.

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