Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0218
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Straßburg

9a. Vortrag des Magistrats wegen der Abschaffung der Messea
[9. Januar 15291]
Vortrag an die burgerschafft wegen abschaffung der meß und annemung evangelischer religion

Lieben freund, uch ist unverborgen, wie daß unsere
predicanten etliche jare her uber die meß, wie die ein
abschuhlicher gruwell vor Gott und als die grössest
gotzlesterung sin soll, gepredigt und angezeugt und
das zubeweysen mit verpfendung ires lybs und le-
bens erbotten habenn, deßhalb dann etlich burger
bewegt und uns supplicierend ersucht, harinn krafft
der oberkeyt ein vatterlichs insehen zuhaben
etc.2, welchs wir dann inn ein bedengken genommen.
Dwyl und aber an solhem handell hoch und groß
gelegen und daß ampt der meß under uns alhye al-
ten und jungen, so zu verstentnuß kommen, nit inn
eynem glichen achtung ist, sonder ein jeder die meß
synem verstand noch haltett, so haben wir vor ey-
nen jar zweyen und biß har vyl mal deßhalb under-
red und ratschlagk gehapt3 und uns jungst entslos-
sen, uch, als unsern lieben burgern und schöffel, die
wir als die furgesetzten vätterlich beschutzen und
beschirmen und vor zukunfftigem zorn Gottes, des
almechtigen, wann wir sin eer nit furdern, dergli-
chen, wann man die meß abthät oder uffhing4, waß
liplichen schadens und beschwerden zuerwarten
sind, verwarnen und anzeugen wöllen5.

a Textvorlage (Handschrift): AMS 1 AST 80, Nr. 16
(Bl. 72r-76v). Auf dem letzten Blatt von anderer Hand:
Mandatum wegen abschaffung der bäpstlichen mess.

1 Nach dem Eintrag des Stadtschreibers Peter Butz fand
der Vortrag am Samstag nach Erhardi (9. Januar) 1529
statt: Was den schoffeln der meß halb furgehalten (s. Fak-
simile der Seite mit dem Eintrag in Livet/Rapp,
Histoire 2, S. 394).
2 Die „Supplication etlicher burger umb abstellung der
meß und der bilder“ vom 8. Dezember 1528 findet sich in
AMS 1 AST 80, Nr. 13.
3 Vgl. dazu die in Bucer, Deutsche Schriften 1, unter
B. II: Gutachten und Eingaben um die Abschaffung der
Messe und Neuordnung des kirchlichen Lebens
1525-1529, edierten Dokumente.

Anfengklich, dwyl ein jeder cristgloubiger bekennt,
daß er von Gott beschaffen und, waß er hatt, es sye
lyb, seel, eer oder gut, daß sollichs uß götlichen gna-
den im zustodt6, deßhalb auch ine billich darfur er-
kennen und von hertzen uß gantzer krafft uber alle
ding ine lieben sollen7, so wir nu den willen Gottes
zuerlernen kein andern menschlichen weg haben,
dann daß wir den uß der heyligen biblischen und
apostolischen geschrifften durch lesen oder predig
hören erfaren mögen, und dann die selbigen ge-
schrifft so nit erst herdacht, sonder die alt, war göt-
lich geschrifft, und vermög der selbigen by Gott,
dem herren, nichts abschuhlicher je gewesen |72v|
und noch ist dann ein falscher gotsdienst, so abgöt-
tery genant, darumb ouch Gott, der herr, synen
zorn mit grosser straff, als im Alten und Newen
Testament vergriffen8, mermaln gegen synem volck
herzeygt und hatt lassen furgon, daß nit nott zu er-
zälen, dann ob Gott wil je desselbigen durch den
offentlichen drugk, durch lesen und andere herma-
nungen gnugsamlich verstendigt, und aber die meß,
wo sy inn lange zit im bruch gesin, nichts anders
dann ein geltstrigk9, das sie wider das wort Gottes

4 Aufheben würde, s. FWb 2, Sp. 464.
5 Der Beschluß des Magistrats zur Befragung der Schöffen
fiel am 8. Dezember 1528: Item, das man diser zeytt die
meß nitt abthun, sonder für die schöffel bringen, das eins
rhats gut beduncken, mitt dem handel ein bequemer zeyt
zuerwarten, [...] und das zuvorderst die verordneten herren
bedencken, wie solcher bedacht für die schöffel zu brin-
gen seye (AMS Extraits des Proces-verbaux [1528],
Bl. 77r-v).
6 Zuteil wird, s. Grimm, DWb 32, Sp. 849.
7 Vgl. 5Mos 6,5; Mt 22,37.
8 Enthalten.
9 Fallstrick, um Geld zu fangen, s. Grimm, DWb 5,
Sp. 2923. Luther verwendet das Wort in der Schrift „An
den christlichen Adel“ (Luther, WA 6, S. 426 und
446).

202
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften