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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0045
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Einleitung

entschied der Magistrat, die Pfarreien zu seinen Händen zu nehmen und damit auch die Einsetzung der
Pfarrer zu regeln. Während des Interims mußte die Stadt drei der sieben Pfarrkirchen den Katholiken
überlassen: das Münster, Jung und Alt St. Peter, also die drei mit einem Stift verbundenen Gotteshäuser.
Als Ersatz diente der Münstergemeinde während des Interims die Kirche des ehemaligen Dominikaner-
klosters als Versammlungsstätte (s. Einleitung zu Nr. 42). Jede Gemeinde besaß einen Pfarrer. Hinzu kam
eine unterschiedliche Zahl von Helfern: am Münster waren drei Helfer tätig, an Jung St. Peter, St. Thomas
und St. Wilhelm zwei, an den anderen Kirchen einer47.

II. Die Reformation in Straßburg
A. Die Einführung der Reformation (1520-1529)
1520 wurde erstmals evangelisch in Straßburg gepredigt; ein Jahr zuvor waren die ersten Schriften von
Martin Luther in der Reichsstadt erschienen48. Die Führung der reformatorischen Bewegung lag zunächst
in den Händen des Münsterplebans Matthäus Zell, dessen Predigten im Münster sich großen Zuspruchs von
seiten der Bevölkerung erfreuten. Vom Magistrat wurde er gegenüber dem Bischof geschützt49. Im Laufe
des Jahres 1523 trafen mit Martin Bucer, Wolfgang Capito und Kaspar Hedio dann die drei Personen in
Straßburg ein, die den weiteren Verlauf der Reformation in der Reichsstadt maßgeblich bestimmten. Alle
drei waren durch den Humanismus geprägt worden und standen in mehr oder minder enger Verbindung zu
Erasmus von Rotterdam. Die ethische Ausrichtung der reformatorischen Lehre sowie die vielfältigen päd-
agogischen Anstrengungen gehen auf diesen Einfluß zurück50.
Die Reformation in Straßburg war in erster Linie eine Angelegenheit der Gemeinde, die unter der
Führung der evangelischen Prediger dem Magistrat immer weitergehende Zugeständnisse abrang. Der
Magistrat befand sich dabei in einer Zwickmühle: Zum einen mußte er auf die beharrlich vorwärtsdrän-
gende neue Bewegung in der Stadt eingehen; zum anderen war er außenpolitisch zur Rücksichtnahme auf
den Kaiser und das Reichsregiment gezwungen. Nach Brady lassen sich innerhalb der städtischen Füh-
rungsschicht selbst drei Parteien festmachen: eine immer kleiner werdende Gruppe von Altgläubigen, die
am Bestehenden festzuhalten suchte; eine auf schnelle und einschneidende Änderungen nach Zürcher Vor-
bild drängende Gruppe, die im Alt-Ammeister Klaus Kniebis ihren prominentesten Vertreter besaß; eine
gemäßigte Gruppe von Anhängern der evangelischen Bewegung, die für vorsichtige Neuerungen plädierte;
ihr ist Jakob Sturm zuzurechnen. Mit der Wahl vom Januar 1524 zogen viele Befürworter der Reformation
in den Rat ein; im Laufe dieses und des folgenden Jahres erlangten sie auch in den anderen Gremien eine
Mehrheit und besetzten die führenden Positionen (Ammeister und Stettmeister) der Reichsstadt51.
Zahlreiche Geistliche erwarben in den Jahren 1523 und 1524 das Straßburger Bürgerrecht. Sie unter-
warfen sich damit der städtischen Gerichtsbarkeit und leisteten Steuern und Abgaben. Im Januar 1525

47 Vgl. die Liste in Bornert, Réforme, S. 54, die auf der
Zusammenstellung bei Bopp, Gemeinden, passim
beruht.
48 Vgl. Lienhard, Réforme, S. 367f.; Miriam usher
chrisman, L’imprimerie a Strasbourg de 1480 a 1599,
in: Livet / Rapp, Strasbourg au coeur religieux,
S. 539-550, hier: S. 543.
49 Vgl. Lienhard, Réforme, S. 368-371; Stafford,
Clergy, S. 141-149.
50 Vgl. Friedhelm Krüger, Bucer und Erasmus. Eine

Untersuchung zum Einfluß des Erasmus auf die Theo-
logie Martin Bucers (bis zum Evangelienkommentar von
1530), Wiesbaden 1970 (= VIEG, Abt. Abendländische
Religionsgeschichte. 57); Beate Stierle, Capito als
Humanist, Gütersloh 1974 (= QFRG 42); Hartwig
keute, Reformation und Geschichte. Kaspar Hedio als
Historiograph, Göttingen 1980 (= GTA 19).
51 Vgl. Brady, Ruling Class, S. 199-215 und 236-250;
Lienhard, Réforme, S. 376-378; Gäumann, Reich
Christi, S. 58-60.

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