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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Dörner, Gerald [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0121
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Einleitung

Am 13. Oktober 1617 legte der Straßburger Kirchenkonvent dem Magistrat einen detaillierten Ent-
wurf für die Feier des Reformationsjubiläums vor. In seinem ,,Unvergreiffliche[n] Bedencken [...], welcher
gestalt daß kunfftige Jubelfest [...] möcht angestellt werden“ erinnerte der Kirchenkonvent an den Heil-
bronner Abschied und das Schreiben des Kurfürsten von Sachsen und forderte den Magistrat auf, eine
entsprechende Feier für Straßburg zu beschließen. Als eigentliche Festtermine sah der Konvent Samstag,
den 1. November, und Sonntag, den 2. November, vor. Am 31. Oktober, dem heutigen Reformationstag,
sollte eine Vorbereitungsfeier für das Abendmahl stattfinden. Der Kirchenkonvent schlug für die Predigten
verschiedene Themen mit passenden biblischen Texten vor: Für den Freitagabend plante er eine Buß-
predigt im Münster über Luk 3,8-9 als Vorbereitung. Im Hauptgottesdienst am folgenden Festtag sollte
auf der Grundlage von Off 18,1-9 („Hure Babylon“) die Überwindung der Finsternis der Papstkirche
durch das von Luther als Gottes auserwähltem Werkzeug gebrachte Licht des Evangeliums aufgezeigt
werden. Für den Mittags- und den Abendgottesdienst am 1. November sah der Entwurf Predigten über
den Mißbrauch der römischen Messe anhand von Dan 11,36-39 und den der Heiligenverehrung anhand
von Ps 50 bzw. Jes 64 vor. Im Hauptgottesdienst am 2. November war die Widerlegung der Lehre vom
Fegefeuer mit Hilfe von Weish 3,1 („Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand“) vorgesehen. In den
beiden folgenden Gottesdiensten am Mittag und Abend standen die Rechtfertigung (Röm 3,23-29) und
die Identität von Papst und Antichrist (2Thess 2,1-13) auf dem Plan. In der sich an die Festtage anschlie-
ßenden Woche sollten die Pfarrer dann weitere Mißbräuche der römischen Kirche in den Predigten behan-
deln. Für die Gemeinden auf dem Land war ein reduziertes Programm mit dem Bußgottesdienst am
Freitag, zwei Gottesdiensten am Samstag und einem am Sonntag vorgesehen. Vom Kirchenkonvent
stammte auch der Vorschlag, die Kinder und Jugendlichen durch kleine Gaben und ein eigenes Gebet für
das Fest zu gewinnen596.
Der Magistrat übernahm in seiner Sitzung vom 15. Oktober ohne große Änderungen den Entwurf des
Kirchenkonvents. Besonderen Wert legte er jedoch darauf, daß im Hauptgottesdienst am 1. November den
Gläubigen die Geschichte der Reformation nahegebracht wurde. Wie an den Hochfesten sollte an den
beiden Tagen des Jubiläums das Abendmahl in den sieben Pfarrkirchen gehalten werden. Die Läden und
Werkstätten sollten geschlossen bleiben. Als Festandenken ließ er eine größere und eine kleinere Münze
prägen. Den Kirchenkonvent beauftragte er mit der Formulierung eines Gebets, wie es bereits der Heil-
bronner Abschied vorgesehen hatte. Die längere Fassung des Gebets war zur Verlesung in den Gottesdien-
sten während der Festtage gedacht, die kürzere Fassung für die Jugend zum Auswendiglernen. Von seinen
Planungen zum Jubiläum setzte der Straßburger Magistrat mehrere Städte in Kenntnis, darunter Frank-
furt a.M., Ulm und Nürnberg. Ihnen sandte er auch das Festprogramm zu597.
Das „Bedencken“ des Kirchenkonvents vom 13. Oktober enthielt auch den Vorschlag, die Straßburger
Akademie in das Reformationsjubiläum einzubeziehen. Der Magistrat griff diese Anregung auf und ordnete
entsprechende Vorbereitungen an. In der Akademie begannen die Feiern erst am 8. November; sie zogen
sich dafür bis Weihnachten hin. Die Ankündigung der Feier erfolgte durch eine gedruckte Einladung des
Rektors Caspar Bitsch. Das Programm bestand aus Festreden und Disputationen598. Beteiligt waren nicht
nur die Theologen, sondern auch die anderen Fakultäten; selbst die Mediziner leisteten ihren Beitrag. In
den von den Theologen veranstalteten Disputationen stand naturgemäß die Abgrenzung zur römischen
Kirche im Vordergrund. Dagegen bemühten sich die Vetreter der philosophischen Fakultät, bei aller Hoch-

596 Das „Bedencken“ des Kirchenkonvents ist enthalten in
AMS 1 AST 173, Nr. 68. Eine längere Paraphrase dar-
aus in Schönstädt, Antichrist, S. 50f. Vgl. dazu auch

den Abschnitt „Liturgie des Festes“ in Kaufmann,
Dreißigjähriger Krieg, S. 13f.
597 Vgl. Schönstädt, Antichrist, S. 57-63.
598 Vgl. Fournier/Engel, Statuts 4,1, Nr. 2165, S. 359f.

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