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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0256
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Straßburg

[5.] Für die gantze Gemeyn58

Die weil der glaub auß dem gehöre kommet59 und
das Gotswort mit frucht nit kan gehöret werden, es
begeben sich dan die gemüter mit aller begirden und
gentzlich hiezu, Dernhalben es Got zu aller zeit ge-
fallen, das mann zum wenigsten einen tag in der
wochen hiezü heyligte und an dem selben aller an-
deren geschefft müssig stünde, damit mann das wort
Gottes mit recht Got ergebnem gemüt hören, die
Sacrament empfahen, gebet unnd andere Götliche
werck üben möchte, Sollichs solte nun bey niemand
ernstlicher dann bey uns, die wir uns der reynen er-
kantnüß des h. Evangelii rhümen wöllen, gehalten
werden, Und mann aber findet, die uff die Sontag,
auch under den morgenpredigen, uff den pletzen,
greben und vor der stat spacieren gohnd, inn würts-
und scherheüseren60 sitzen, zu schwetzen, zechen
und spilen, Desgleichen under der Mittagpredig, al-
les wider eins Ersamen Rahts hievor außgangene
Mandaten und gepotten, Unnd auch etliche zünffte
seind, die alweg, so sie zu schaffen haben, zu der
stund der Mittagpredig zusamen gepieten, so mann
doch darnach zeit genug hette, da solle mann die
voraußgangne Mandaten wider erfrischen61 und uff
den zünfften mit allem ernst verkünden, |C 1v| auch
darob halten, und die prediger mit trewem vleis das
volck ermanen, das nemlich jederman sich unnd die
seinen uff die Sontag zur predig schicken solle.
Item, das under den predigen niemand solle feyl ha-
ben, keyn würt, scherer oder andere under der zeit
der morgen- oder Mittagspredigen inn seinem hauß
jemands zu zechen oder spylen gestatten, das auch
niemand uff die Sontag offentlich one notdurfft ar-
beyte noch uff den Sontag bauche62 noch bauch auß-
wesche.
Item, das niemand under den morgen- und Mit-
tagspredigen uff die Sontag offentlich vergeb-

58 Vgl. dazu auch das am 28. Dez. 1534 erlassene Mandat
zur Sonntagsheiligung (Nr. 18).
59 Vgl. Röm 10,17.
60 Babierstuben, s. Wb. d. elsäss. Mundarten 1, S. 384.
61 Erneuern, s. Grimm, DWb 3, Sp. 809.

lich63 spacieren gehn, stehn oder uff den pletzen, gre-
ben und sunst in den würts- und scherheüseren sitze,
item sich auch morgens under den Predigen nie-
mands beschiessen64 solle. Item, das auch uff keiner
zunfft mehr zu der zeit der predigen zusamen gebot-
ten oder etwas gehandelt werde, die weil die feirtag
abgangen, damit der Sontag nit also wider Götlich,
Christlich, der alten Keyser und eins Ersamen
Rahts außgangen gepot so übel gehalten werde und
frembd und heymisch darab ursach nemmen, das h.
Evangeli und den gantzen handel zu lesteren.
Zum anderen, So ist auch ein gevahrlicher miß-
brauch, so mann imm Münster, auch inn etlichen
anderen pfarren oder kirchen prediget, das die leüt
in den kirchen spacieren und schwetzen, welchs bede
die prediger und zuhörer verstöret, das bei dem
volck Gottes je und je ein untreglicher grewel ge-
wesen65, und dann solichs inn einem weltlichen raht-
und zunffthauß, da mann etwas zu handlen hat, nit
gestattet würde. Und unser lieber herr Jesus, als er
zu Jerusalem den ernst imm Tempel erzeygte mit
dem außtreiben der kauffer und verkauffer, liesse er
auch keyn geschirr durch den Tempel tragen, Mar.
11 [15-16]. So haben auch etliche priester, die es
weniger thun solten, und andere den mißbrauch, das
sie zur zeit der predigen an den buchleden hart
amm66 Münster ligen zu schwetzen. Dieweil dann
wir Christen die versamlungen zum heylig seligma-
chenden Evangeli je also halten unnd zu halten mit
höchstem ernst verschaffen sollen, das wir die krafft
Gottes zur seligkeyt allen, die daran glauben, erken-
nen und die leüt auch gern dazu fürderen sollen, So
hat ein Ersamer Raht zur ehren Gottes, vor dem
mann je mit höchster zucht und andacht erscheinen
soll, und auch zu verhütung ergernüß heymischer
unnd frömbder sampt verstörung der prediger unnd

62 Wäsche in Lauge legen und kochen, s. Wb. d. elsäss.
Mundarten 2, S. 10 (s.v. buchen).
63 Unnütz.
64 Schießübungen abhalten, s. FWb 3, Sp. 1679.
65 Vgl. Jer 7,4.10-11.
66 Direkt beim, s. FWb 7, Sp. 1177.

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