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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0400
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Straßburg

will ers doch nicht thun denn nur durch das wort
undh die mittel, welche im wort uns von dem herren
Christo sind fürgestellet, als durch die tauff, durchs
wort oder die absolutio und durch den brauch des
hochwirdigen sacraments.
Von der ohren beicht aber, dieweil die von Gott
nit gebotten, so sollen die kirchen diener das volck
dazu nit dringen. Denn obwol die absolutio privata
in keinen weg zu verachten, sonnder als ein sonder-
licher trost gesucht und |41| gebraucht sol werden,
und sonst auch von nöten ist, das, ee man das volck
zum hochwirdigen sacrament zulasse, sie zuvor er-
forschet und unterricht soll werden, so soll doch
solchs keines wegs gehandlet werden, das man dar-
umb die beicht wider anrichten und die leuth zu er-
zelung irer sünd treyben und als denn sie von sün-
denn entbünden und zum sacrament wolte gehen
lassen. Neben dem nun, das solchs keinen grundt
auß der schrifft hat, so ist auch die erfarung vor
augen, was die heimliche oren beicht für ein nutz
bracht unnd warzu münchen unnd pfaffen der sel-
ben gebraucht habenn, derhalb solche warnung nit
zu verachten und Gott nit weyter damit zuversu-
chen ist. Denn wo mans den leuthen ufflegen will als
ein nötig werck, da wirdt des bapstes grewel müssen
volgen, das die sünden one solche vorgeende beicht
nit vergeben können werden unnd das solche beicht
zu vergebung der sünden nützlich sey. Die explora-
tio aber, das niemandt zum sacrament sol gehen, er
hab denn vor rechenschafft seines glaubens sei- |42|
nem seelsorger geben, ist kein beicht, sonnder ein
underricht, darzu man der ohren beicht nicht darff,
das man alle sünde erzelen wolt.
Diß sindt ungeferlich die fürnemesten stück der
christlichen lehr, da es sonderlich sich gebüren will,
das die kirchendiener ein guten verstand von haben
und ir studirn und lesen (dem sie fleissig obligen
müssen) auff solche stuck fein richten sollen, das sie
mit sprüchen und exemplen gefasset, nicht allein ire
leut recht underrichten, sonder auch den widersa-
h Gestr.: wie.
77 Fundiert, s. FWb 7, Sp. 558f.
78 Befreit, erlöst.

chern mit grundt77 begegnen mögen. Aber zum be-
schluß sol man auch des artickels von christlicher
freyheit nit vergessen, das man wisse, was die rechte
freyheit sey, der die christen sich sollen gebrauchen.
Denn es ist ein ser große und schedlige unordnung
gefolget bei denen, die der selben keinen rechten
verstandt gehabt haben, derhalb underrichts hie
hoch vonnöten ist.
Das höchste und meiste stück christlicher frey-
heit ist, das wir von sünden und ewigem todt erle-
digt78 sindt, nit durchs gesetz oder eygen verdienst,
sonnder allein durch Gottes barmhertzigkeit, welche
uns |43| durch Christum widerfaren ist, das er unsere
sünde auff sich genommen unnd für die selben am
creutz bezalet und durch sein sterben den todt ge-
würget79 hat. Wer nun solchs glaubt und sich von
hertzen damit tröstet und daruff verleßt, der ist
frey, wie Christus sagt, Johann. 8 [36]: Wenn euch
der son frey macht, so seyd ir frey, als wolt er sagen:
Ewernt halb must ir in sünnden sterben unnd ver-
derben, aber der son Gottes allein macht euch davon
ledig.
Das ander stuck christlicher freyheyt ist, das wir nit
allein von sünden unnd ewigen todt durch Christum
erlöset sindt, sonder auch den heiligen geist durch in
empfangen, der uns leitet, stercket unnd hilfft, das
wir dem sündigen fleisch widerstehen und dem ge-
setz Gottes ein wenig volge thun und also uns des
teuffels erweren unnd sein eingeben meiden und flie-
hen kinden80, da sonst die andern menschen (so on
glauben und heiligen geyst sindt) gefangene leut
sind und dem teuffel nit widerstehen, sonder sich
vonn im treyben und füren müssen lassen, wie er
will, wie man allenthalben in der |44| welt sihet, wie
ein grewliche tyranney der arge feindt under den
leuthen übet unnd so vil jamers anrichtet. Von sol-
cher freyheyt redet Paulus, da er spricht: Wo des
herren geyst ist, da ist freyheyt. Und des herren
klarheyt spiegelt sich in uns allen mit auffgedeck-
tem angesicht, das wir verkeret werden in dasselbig
79 Getötet, s. Grimm, DWb 30, Sp. 2002.
80 Zu der im Nordalemannischen erscheinenden Form kin-
den (z.B. bei Sebastian Brant) s. Frühneuhochdeutsche
Grammatik, § M 140, S. 300.

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