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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0425
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38. Kirchenordnung von Johannes Marbach

befelch recht brueffen unnd bewerenn unnd sollche
heilsame speiß nit unnwurdig zum gericht, sonnder
wurdiglich zue ewer seelen heil unnd seeligkheit nie-
ßen unnd empfahen mugenn249.
Damit ich aber auch auß ewer eigen selbs be-
kantnuß vermerckenn unnd abnemmen könnde, daß
ir dieses hanndels rechten und grundtlichen ver-
stanndt habenn unnd mit gutem gewissen zu deß
herren tisch mugen zugelaßen werden, so wöllet fein
richtig anntwort gebenn uff das jenig, so ich euch
jetz befragenn unnd furhallten wille.
Examen
Mein khindt, sag an: Bistu auch ein sundiger
mensch?
Anntwort: Ja, herr.
Wo her weißtu solches?
Annt.: Da hab ich Gottes gebott nit gehallten unnd
vielfalltig ubertrettenn.
Was ist dan sundt?
Annt.: Ubertrettung |137| Gottes gebott. Den sundt
unnd unrecht ist alles, was da ist unnd geschicht
wider die gebott Gottes.
Was heißtu Gottes gebott?
Annt.: Das gantze gesetz, darinnen Gott, der herr,
dem menschen sein willen eröffnet hatt, was er thun
unnd lassen unnd wie er sich beide250 gegenn Gott
inn der ersten taffell unnd gegen seinen nechstenn
inn der annderen taffel hallten solle.
Kan auch der mensch uß eignen krefftenn solche
Gottes gebott hallten und erfullen?
Annt.: Nein, dann das gesetz ist geistlich unnd er-
fordert von unns ein volkhommene gehorsamme al-
ler gebott, ware erkanntnuß, gottesforcht, rechtes,
hertzliches vertrawen, glauben unnd ein brun-

e-e Die Passage erscheint durchgestrichen nochmals auf
S. 139 der Handschrift.
f Korr. aus: ewigen.
249 Vgl. 1Kor 11,27-29.

stige251 lieb Gottes unnd deß nechstenn. Wir aber
seindt fleischlich, von natur kinder deß zorns, unn-
der die sunde geschlossen252. Unnd dieweil unnser
natur durch die erbsundt zerrutten und verderbt ist,
so sinndt wir auch von unnser jugenndt an allein zu
beßem unnd argem geneigt, wie Gott |138| selber
spricht, Genesis 8. cap. [21]: Das dichtenn deß men-
schen hertzenn ist böß vonn der jugent auff.
So nun niemanndt Gottes gebott uß eignen kreff-
tenn hallten kan, unnd alle menschen sich mussenn
schuldig gebenn unnd erkhennen ubertretter des ge-
setzes unnd das sie deßhalbenn vor Gott arme,
durfftige sunder seien, was habenn sie dan umb Gott
verdient unnd verschuldt, so er ihnen vergellten
wöllte, noch dem sie wol wurdig unnd werd?
Annt.: Seinen grimmen zorn, den fluch unnd ver-
maledeiung des gesetzes, welches ist alles zeitliches
unngluck, jomer unnd hertzenleidt, der leibliche
todt, das hellisch ewig fewer unnd verdamnuß.
Wo zu ists von nöten, daß der mensch erstlich allso
zu erkanntnuß seiner sunden gebracht werde?
Annt.: Da ists im sonst unmuglich, zu erkanntnuß
eder genaden zu kommen, Christo unnd dem heili-
gen evangelio zuglauben, wo er nit zuvor durch die
erkhannt- |139| nuße seiner sunden erschrecke unnd
gedemutiget, nach der gerechtigkheit hungerig unnd
dürstig von hertzen des heilanndts unnd rechten
artzes begirig ist.
Wan nun der mensch also durch das gesetzes ampt
zu erkanntnuß der sunden gebracht, das er deß ge-
wissen Gottes zorns wider sich unnd des ewigen ver-
derbens gwar wordenn, wie khan oder mag ihm dan
wider geholffen werdenn?
Annt.: Durch den einigenf mittler zwüschen Gott
unnd dem menschen, unsern herren Jhesum Chri-
stum253, das ware gotteslamb, das der weldt sunde
tregt254.

250 Sowohl [...] als auch.
251 Inbrünstige, s. FWb 4, Sp. 1281.
252 Vgl. Röm 7,14 und Eph 2,3.
253 Vgl. 1Tim 2,5.
254 Vgl. Joh 1,29.

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