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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0669
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61. Kirchenordnung

Der ander Trost
ζDer ander Trost ist, Das sie in einem Göttlichen
Beruff und Werck sind, dazu sie Gott geschaffen.
Was nun Gott, der Allmächtige, ordnet, das ist eitel
Heiligthumb569 und das aller beste. Und da ist ein
gut Gewissen, Da kan man recht betten und Gottes
Hilff und Segen gewertig sein. Es muß auch den
Menschen zum besten gereichen. Dessen können
sich uneheliche Leuthe, Huren, Ehebrecherin nit ge-
trösten.
Also können Gottsförchtige Eheweiber, wann sie
Schwanger gehn, Nonnen und andern, die wider Got-
|266| tes Ordnung und Befelch Keuscheit geloben,
einen Trotz bieten570, Das sie nit einen Spruch kön-
nen herfür bringen auß heiliger Schrifft, darinn ir
Stand und Thun so hoch vom heiligen Geist geprei-
set werde als der frommen Christlichen Eheweiber
Stande. Dann der Psalm 128 sagt: Wol dem, der in
Gottes Forchte stehet und der auff seinen Wegen
gehet (das ist in Gottes Beruff). Item: Wol dir, Du
hast es gut. Item: Der Herr wird dich segnen auß
Sion etc.571
Darumb so soll ein Gottsförchtig Christlichs
Eheweib, Die schwanger gehet oder in Kindsnöthen
ist, also gedencken: Ob ich schon jetzt grossen
Schmertzen hab und mich das Creutz schwer an-
kompt, Doch ist das mein Trost, Das ich weiß, das
ich in Gottes beruff und ordnung bin. Darumb wird
er gewißlich mit seiner Göttlichen Gnade und Segen
bei mir stehn, in keiner Noth mich verlaßen, Son-
dern mir mein Schmertzen und Creutz umb seines
lieben Sohns Jesu Christi willen zum besten wenden
und mir nach meiner Trawrigkeit wider ein Freude
bescheren.

ζ Schwangere und gebärende Weiber sind in einem götli-
chen Beruff.
η Leibesfrucht ist ein sonderer Segen Gottes.
θ Exempla Gottförchtiger Matronen und glaubiger Weiber
im Alten und Newen Testament.
569 Etwas Heiliges; Mittel, das den Glauben fördert und
zum Seelenheil führt, s. FWb 7, Sp. 1496f.

Der dritte Trost
ηDer dritte Trost ist, das schwangere Weiber ge-
dencken sollen, Das ires Leibs Frucht ist ein son-
derlicher Segen Gottes und ist also ihr gröste Ehr
auff Erden, das sie Fruchtbar sind und Kinder ge-
bären. Dann sie sind gleichsam unsers Herren Got-
tes Gartnerin, die mit ihres Leibes Frucht seinen
Lustgarten und Weinberg, das ist sein Paradeiß und
Himmelreich, pflantzen. Dieweil dann unser Herr
Gott solche Weiber seines Segens theilhafftig ma-
chet, das sie Fruchtbar werden, Ob er sie nun gleich-
wol in den Kindtsnöten mit seinem väterlichen Rüt-
lin ein wenig züchtiget, Ist er darumb |267| nit ihr
Feind, Sondern hat ein hertzliches Wolgefallen an
ihnen, Dieweil sie in seinem Beruff wandlen und sei-
ner Ordnung nach in Kindtsnöthen ihr Leib und Le-
ben dran strecken572, Will auch bei ihnen sein und
sie in keiner Noth verlassen.
O, wie ein seliges Weib ist das, die erstlich in
ihrem Leben Gottes wort geliebt hat und an Jesum
Christum geglaubet und also in Gottes Beruff ir Le-
ben endet. Darumb soll sich ein Schwanger Weib
ires Schmertzens halben nit bekümmern, Sondern
viel mehr also gedencken: Gott hat mir das Creutz
aufferlegt, so ist es auch sein Göttlicher Segen. Dar-
umb wird er mich gewißlich unter diesem Creutz nit
verlaßen, sondern mit seiner gnädigen Hilff mir er-
scheinen. Dann es mache mein lieber Gott mit mir,
wie es im gefält573, So weiß ich doch, das mir solches
alles beide, hie Zeitlich und dort Ewiglich, zum be-
sten muß gereichen und gedeien574.
Der vierdte Trost
θDer vierdte Trost ist das Exempel der lieben Gots-
förchtigen Matronen und glaubigen Weibern im Al-
570 Die Stirn bieten, s. Grimm, DWb 22, Sp. 1106.
571 Zitiert werden hier die Verse 1, 2 und 5 von Ps 128, der
auch bei Trauungen Verwendung findet (s. Nr. 23, S. 265
und Nr. 35, S. 362).
572 Darangeben, opfern.
573 Vgl. Luk 1,38.
574 Vgl. Röm 8,28.

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