Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0673
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
61. Kirchenordnung

Junge Leut, entweder in irer blüenden Jugent oder
auch kaum in anfangenden Tagen und Jaren ires
Lebens, dahin sterben, Das wir desselben unsers En-
des ja nicht vergessen. Dann wie gewiß es ist, das
dem Menschen ein mal auffgesetzt ist zu sterben
und darnach das Gericht594, So ungewiß ist es,
wann, wie oder wa der zeitliche Todt uns angreiffe
und erschleiche. Darumb sollen wir ohn unterlaß
mit dem heiligen Mose bitten lehrnen, Psal. 90 [12]:
Lehre uns bedencken, das wir sterben müßen, auff
das wir Klug werden. Und mit dem heiligen David,
Psal. 39 [5]: Herr, lehre mich doch, daß ein End mit
mir haben muß und mein Leben ein ziel hat und ich
davon muß. Sprechet derhalben mit mir andächtig-
lichen also:
Allmächtiger, ewiger und lebendiger Gott, Der du
durch den Tode deines lieben Sohns die Sünde und
Tode zu nicht gemacht und durch deine Aufferste-
hung Unschuld und ewiges Leben widerbracht hast,
Auff das wir von |276| der gewalt des Teufels erlöset
und durch die Krafft derselbigen Aufferstehung
auch unsere sterbliche Leibe von den Todten auffer-
wecket sollen werden, Verleihe uns gnädiglich, Das
wir solches vestiglich und von gantzem Hertzen
glauben und die fröliche Aufferstehung unsers Leibs
mit allen Seligen erlangen mögen, Durch denselben
deinen eingebornen Sohn, unsern Heiland Jesum
Christum, Amen. Unser Vater etc.
XII. Unterricht und Trost für die arme Sünder,
so zum Tode verurtheilet sind
Wann ein armer Sünder wegen seiner Mißhand-
lung595 auf einen Freitag vom Leben zum Tod soll
gerichtet werden, So wirdt ihme den Mitwoch zuvor
zu zwelf Uhren sein Urtheil, das er außstehn
muß596, durch der Oberkeit Diener verkündiget.
Deßgleichen geschicht auch den Weibern auff den
Donnerstag, wann sie am Samstag sollen gerichtet
werden.
Es sind aber bei solcher Abkündigung des Le-
bens allezeit zugegen zwen Prediger, welche dann
594 Hebr 9,27.
595 Missetat.

die Ordnung triffet. Die bleiben als dann von der-
selben zeit an bei solchen armen Leuten, unterrich-
ten und trösten sie und begleiten sie auch letztlich,
biß sie ihr Urtheil außgestanden haben. Zu Nachts
aber, wann die Kirchendiener heimgehn, So werden
an ihre statt verordnet zwen auß dem Seminario
Theologico, Welche bei den armen Sündern |277| wa-
chen und sie gleichsfals, da es von nöten, auß Gottes
wort unterweisen und trösten.
Zuforderst aber sollen die Kirchendiener mit fleiß
warnemmen und durch bequeme597 Fragen erkun-
digen, Wie den armen Leuten uber solcher trawrigen
Bottschaft zu Mut und Sinne seie. Dann etliche wol-
len ihre Missethat nit bekennen; Etliche entschul-
digen sich und klagen uber andere Leute, durch wel-
che sie dazu gebracht seien worden; Etliche laßen
sich mit Ungedult vernemmen, als ob ihnen zu viel
geschehe und zu hart mit ihnen gefahren werde; Et-
liche stellen sich frech und trotzig, als fragten sie
nichts darnach; Etliche aber erzeigen sich also, das
man auß iren Worten und Geberden vernemmen
kan, das sie sehr bekümmert und von Hertzen sich
für Gott und den Menschen demütigen und erken-
nen, ihnen geschehe nit unrecht. Nach dem nun die
Prediger solche arme Leute befinden, Sollen sie ge-
gen ihnen nach gelegenheit und notturft gebrauchen
Erinnerung, Trost und Vermanung. Doch solle es
alles aufs einfältigste gerichtet werden auf nachfol-
gende drei Haubtstücke:
Erstlich, Das die arme Leuthe zu wahrer Erkannt-
nuß ihrer Sünde und Gottes Zorns uber die Sünde
geführet mögen werden, Nemlich, das ihre Miß-
handlung nicht allein wider die weltliche Obrigkeit,
Sondern fürnemlich wider Gott im Himmel sei, Und
das sie nit allein in der Obrigkeit Hafften sind zur
leiblichen Straf, Sondern das sie fürnemlich in Got-
tes Stricken und banden ligen zum ewigen Verdam-
nuß, welches one zweiffel auf den zeitlichen Tode
folgen werde, wa sie sich nit warhafftig zu Gott be-
kehren. Und soll sonderlich ihnen mit fleiß diß für-
gehalten werden: Weil sie Gottes Warnung und Drä-
596 (Leidend) ertragen, standhalten, s. FWb 2, Sp. 1429.
597 Geeignete, s. FWb 3, Sp. 1331f.

657
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften