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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0678
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Straßburg

χIm Fall aber, das der gewöhlte Pfarrer zuvor im
Kirchendienst nicht gewesen Und derwegen auch
weder Theologice examiniert noch ordiniert worden
were, So soll nachfolgender Proceß mit ihme fürge-
nommen und gehalten werden, Wie auch mit einem
jeden Helfer oder Prediger, der new zum Kirchen-
dienst kompt und angenommen wirdt: |287|
Anfangs wirdt ein Theologicum Examen zuhal-
ten im Kirchenconvent auf einen gewissen Tag be-
stimpt, dem alle Pfarrer und Kirchendiener beiwoh-
nen. Wann dann der Convent mit Gottes forcht und
dem Gebett angefangen ist, Wirdt der Examinandus
fürgestelt und vom Praesidenten von der Summa
aller und jeder Biblischer Bücher, so dann allen
Hauptstucken Christlicher Religion fleißig befragt,
wie er die verstehe, und sonsten, was weiters einem
rechtschaffenen Kirchendiener zu verrichtung seines
Ampts zuwissen von nöthen. Auch haben die Pfar-
rer macht und werden darumb vom Praesidenten
vermahnet und gebetten, Das sie den Examinan-
dum auch selber fragen und, was in Frag und Ant-
wort nicht genugsam verständig fürgetragen were,
besser erklären sollen. Diß Examen verzeucht
sich622 gemeiniglich auf zwo stunden oder drüber.
Zum andern, Demnach aber im jahr uber ein
oder zwei Theologica Examina nicht gehalten wer-
den, Besonders da im Straßburgischen Kirchen-
dienst in der Statt nicht mangel ist, Und derwegen
etwan viel Examinandi, so vom Lande oder anders-
wo hergeschicket werden, zusamen kommen, So ist
für gut angesehen, das der Praesident allwegen vier-
zehen tage vor dem Examine dessen einen Kirchen-
convent verwarne623, Mit fleißigem vermahnen, das
die Pfarrer und Helfer gegenwertig im Convent er-
scheinen, Und das er auch gleich mit diejenige, so
sich examinieren wollen laßen und der Ordination
begeren, namhaftig mache, Damit man ursach und
zeit haben möge, ihnen nachzufragen und sich ihres

χ Vom Examine Theologico.
φ Was denen, So examiniert worden, fürzuhalten.

c B (1601), D (1605): sollen; A (1598), C (1603): sollest.
d B (1601), D (1605): underschreiben; A (1598), C (1603):
widerschreiben [= schriftlich ablehnen].

Verhaltens und zugebrachten Lebens und Wandels
zuerkundigen.
Zum dritten Soll der Praesident den Examinan-
dis ein gereume zeit zuvor, ehe sie ins Examen tret-
ten, diese un-| 288| sere Kirchenordnung zu lesen zu-
stellen, Die bei sich selber Gottsförchtig zuerwegen,
ob sie auch deren gleichförmig gesinnet und in ihrem
Hertzen die Göttliche Warheit sein erkennen, Als
die sie nach vollendetem Examine unterschreiben
und deren gemäß die zeit ihres Lebens zu lehren und
zu predigen werden zusagen und versprechen
müßen.
Zum vierten, Wann dann das Examen auf be-
stimpte zeit mit den Examinanden ordentlich ge-
halten worden und sie abgetretten, So solle ferner
von dem Praesidenten umbgefraget werden beides
von deren, welche examiniert worden, Erudition
und vom Zeugnuß ihres Lebens und Wandels.
ψDa dann einem Convent genug geschehen mit dem
Examine und das Zeugnuß ihres Lebens gut ist, Sol-
lenc sie wider fürgefordert und befragt, Ob sie die
Kirchen Ordnung gelesen und dieselbig als Christ-
lich und Gottes wort gemäß mit gutem Gewissen
können approbiren und underschreibend, Auch zu-
sagen, das sie nach innhalt derselbigen in der Lehre
einen einhelligen Consensum mit den andern Kir-
chenconvents Personen halten wollen, Und sie dann
antworten, Sie seien dieser Kirchen Ordnung zufrie-
den und dieselbe zuhalten urbütig624, Wirdt ihnen
ferner vom Praesidenten angezeigt, Das der Kir-
chenconvent sich dessen mit ihnen gehalten Exami-
nis wolle vergnügen625 laßen. Unnd nach dem sie
auch ihres biß anher zugebrachten Lebens und Wan-
dels zeugnuß angehöret, Erkennen sie einhellig, das
sie wol werth seien, das inen durch die publicam
Ordinationem der Kirchendienst, zu dem sie ordent-
lich beruffen und erwöhlet worden seien, solle ver-

622 Zieht sich hin (s.v. verziehen).
623 Aufmerksam mache, s. Grimm, DWb 25, Sp. 2133.
624 Willig.
625 Genügen.

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