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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 1. Teilband): Straßburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30661#0710
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Straßburg

Visitation nit allein die Zuhörer, Alte und Junge,
gleichsam als im Zaum gehalten, das sie den Pfar-
rern und Seelsorgern, so viel sichs gebüret, desto
mehr gehorchen und folgen, Sondern auch die Kir-
chendiener selbst zu desto mehrerm Fleiß in verrich-
tung ihres Ampts gereitzet, Als die zu beiden theilen
wissen, das sie ihres Thuns und Lassens rechen-
schaft geben müßen, Dadurch viel Böses vermitten
und viel Ergernuß gehindert und hinterstellig ge-
macht755 wird. |365| Darumb dann auch niemands
der Unkosten, so darauf geht, beschwären, Sondern
man es gäntzlich dafür halten solle, das es ein sehr
wol angelegtes Gelt seie. Wie dann auch, wa man
sonst nit unnötigen Uberfluß treiben will, der Un-
kosten an ihme selbst so groß nit ist. Und wir deß-
halben alles Nachzehren, so an etlichen Orten nach
der verordneten Visitatorum abreisen weiter ge-
brauchet worden, hiemit ernstlich wollen verbotten
haben.
VIII. Vom Almosen und Spital
Unser Meinung ist nit, alle und jede Ordnungen des
Almosens und Spitals an diesem Ort zuerholen, Son-
dern allein das jenige zumelden, was bei diesem
Stuck den Gottesdienst und die Kirchendiener mag
antreffen. Ist derhalben unser ernstlicher Wille und
Befelch, Das anfänglich alle die, welche des Almo-
sens in dieser unserer Statt in einigen wege genießen,
warer Gottesforcht und eines erbarn, eingezog-
nen756 Wandels und Lebens sich insonderheit beflei-
ßen, Auch, soviel sie Alters, Kranckheit oder ande-
rer Unvermöglicheit halben könden, die Predigten
Göttliches Worts und das heil. Abendmal fleißig be-
suchen.

755 Hinterstellig machen = rückgängig machen, vermindern,
s. Grimm, DWb 10, Sp. 1518.
756 Zurückgezogenen.
757 Geldhilfe.
758 Das Almosen war seit 1529 in den Gebäuden des ehe-
maligen Dominikanerinnenklosters St. Marcus (Marx)
untergebracht und trug dessen Namen. Vgl. Winckel-
mann, Fürsorgewesen 1, S. 111 f.; Mariotte, Sources,
S.182-184.
759 Zum Blatterhaus s. Nr. 1a, Anm. 37.
760 Ein eigenes Waisenhaus findet ab 1432 in der Utengasse

Demnach aber fürs ander das Almosen an unter-
schiedlichen Orten der Statt und auf unterschiedli-
che weise jhe nach ungleichheit der Personen, wel-
che es bedörfen und entpfahen, außgespendet und
verrichtet wird, So sollen auch die Kirchendiener
derselben Personen je nach gelegenheit sich annem-
men und dieselbe zu wahrer Gottseligkeit oftermals
anmahnen.
Dann was erstlich die Haußarme betrift, wel-
chen |366| wochentliche Hilf und Steure757 von
S. Marx758 gereichet wird, Weil dieselbe in der gant-
zen Statt zerstrewet hin und wider wohnen, Sollen
sie, wie auch alle andere Arme, von allen Cantzeln,
so oft es die Gelegenheit des Textes oder der zeit
gibet, zu Gottes forcht, Gedult und allem Guten
und sonderlich auch dazu vermahnet werden, Das
sie des Almosens zum Müßiggang und Beschwärung
anderer, noch mehr dürftigeren Personen nit miß-
brauchen.
Darnach in dem Blaterhauß759 Sollen die Helfer
zu S. Thoman die gewohnliche Mittagspredigt an
den Sontagen und hohen Festen verrichten, Auch
die Krancken desselben Orts, wann das von ihnen
begeret wird, zubesuchen sich nit beschwären.
Deßgleichen zum dritten Sollen die Kirchendie-
ner zu S. Wilhelm auf das Weisenhauße760 ire gute
Achtung haben Und sonderlich darauf sehen, das
mit der herwachsenden armen Jugend der Catechis-
mus fleißig gehalten und geübet werde.
Es sollen auch zum vierten die beide Capläne im
Spital ihrem Ampt und Dienst mit den gewohn-
lichen Predigten und täglicher Besuchung der
Krancken, wie das wol herkommen, mit allem Fleiß
und Trewen abwarten761 Und, damit sie solches

Erwähnung. 1467 wurde ein Neubau errichtet und 1514
noch einmal eine Erweiterung vorgenommen. Die erste
erhaltene Ordnung des Rates für das Waisenhaus
stammt vom 13. Januar 1500. Im Jahr 1529 erhielt das
Waisenhaus die Einkünfte des aufgehobenen Frauenklo-
sters St. Klara a. d. Wörth; später auch die des Klosters
St. Katharina. 1538 wurde das Waisenhaus dann im Ka-
tharinenkloster untergebracht; womit es in der Pfarrerei
St. Wilhelm lag. Vgl. Winckelmann, Fürsorgewe-
sen 1, S. 43-49 und S. 151-158.
761 Nachkommen, verrichten s. FWb 1, Sp. 477.

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