5
10
15
20
25
BUA 1,18
137
oder Geschwister oder Blutsverwandte der Herren sind, machen sie umso
ausschweifender und kühner, was ich gerade gesagt habe. Erinnerst du dich
nicht, Mönch, an die Antwort jenes Älteren im „Leben der Väter“,2 der
gesagt hat: „Die Aufgabe der Mönche ist das Feuer“? Und siehe warum:
Wenn du die Substanz anderer Dinge mit Feuer mischst, wird sie verzehrt; 5
und so wirst auch du, wenn du gegen das Gesetz deine ererbten Güter mit
kirchlichen Gütern mischst, mit jenen zu Nichts gemacht. Wir haben viele
Beispiele dafür gesehen; weil die Abscheu aber zu groß ist, um alle einzeln
durchzugehen, werde ich immerhin eines von ihnen erläutern.
[2] Einst lebte ein gewisser Höriger von bäuerlicher Abstammung, der in 10
einem sehr reichen Kloster einen Onkel hatte, der von den Mönchen zum
Abt bestimmt worden war. Von seinem Onkel aufgefordert, lernte er, der
früher zu Fuß zu gehen pflegte, zu reiten. Obgleich er ganz und gar
unbrauchbar war, sollte er bei Tisch dienen und er, der gelernt hatte, allein
den Pflug mit gekrümmtem Hals zu beherrschen und zu halten, wurde 15
gezwungen, den Fürsten mit aufrechter Haltung die Speisen zu bringen.
Was noch? Aus einem armen Bauern war ein bekannter Reicher geworden;
er verband seinem Haus „ein weiteres Haus“; Einkünfte mehrte er mit
weiteren Einkünften; „einem Feld“ verband er vielbeschäftigt „ein weiteres
Feld“. Er kaufte von da an Landhäuser und Grundstücke und er, der einst 20
einer von den Bauern gewesen war, wurde zum Herrn der Bauern. Endlich
hob ihn das Schicksal bis dahin empor, dass er, nachdem er bislang eine Ehe
aus dem Kreis der einfacheren Ritter verschmäht hatte, selbst zum Ritter
gemacht wurde und sich mit einer adeligen Frau verband.
Nicht lange hatte er in solchem Ruhm gestanden, da schnitt er sich am Fuß 25
und geriet ins Wanken, als er sich auf ihn stützte; der Arme fiel umso tiefer,
desto mehr er zuvor erhoben worden war. Unmittelbar nämlich nach dem
Tod des Abtes, seines Onkels, wurde er von allen verschmäht, vertrieben
2Vitae patrum oder Vitas patrum, Sammelwerk mit Lebensbeschreibungen und Sentenzen der
ersten christlichen Mönche und Eremiten. S. hierzu WILLIAMS, Art. ,, Vitas patrum".
10
15
20
25
BUA 1,18
137
oder Geschwister oder Blutsverwandte der Herren sind, machen sie umso
ausschweifender und kühner, was ich gerade gesagt habe. Erinnerst du dich
nicht, Mönch, an die Antwort jenes Älteren im „Leben der Väter“,2 der
gesagt hat: „Die Aufgabe der Mönche ist das Feuer“? Und siehe warum:
Wenn du die Substanz anderer Dinge mit Feuer mischst, wird sie verzehrt; 5
und so wirst auch du, wenn du gegen das Gesetz deine ererbten Güter mit
kirchlichen Gütern mischst, mit jenen zu Nichts gemacht. Wir haben viele
Beispiele dafür gesehen; weil die Abscheu aber zu groß ist, um alle einzeln
durchzugehen, werde ich immerhin eines von ihnen erläutern.
[2] Einst lebte ein gewisser Höriger von bäuerlicher Abstammung, der in 10
einem sehr reichen Kloster einen Onkel hatte, der von den Mönchen zum
Abt bestimmt worden war. Von seinem Onkel aufgefordert, lernte er, der
früher zu Fuß zu gehen pflegte, zu reiten. Obgleich er ganz und gar
unbrauchbar war, sollte er bei Tisch dienen und er, der gelernt hatte, allein
den Pflug mit gekrümmtem Hals zu beherrschen und zu halten, wurde 15
gezwungen, den Fürsten mit aufrechter Haltung die Speisen zu bringen.
Was noch? Aus einem armen Bauern war ein bekannter Reicher geworden;
er verband seinem Haus „ein weiteres Haus“; Einkünfte mehrte er mit
weiteren Einkünften; „einem Feld“ verband er vielbeschäftigt „ein weiteres
Feld“. Er kaufte von da an Landhäuser und Grundstücke und er, der einst 20
einer von den Bauern gewesen war, wurde zum Herrn der Bauern. Endlich
hob ihn das Schicksal bis dahin empor, dass er, nachdem er bislang eine Ehe
aus dem Kreis der einfacheren Ritter verschmäht hatte, selbst zum Ritter
gemacht wurde und sich mit einer adeligen Frau verband.
Nicht lange hatte er in solchem Ruhm gestanden, da schnitt er sich am Fuß 25
und geriet ins Wanken, als er sich auf ihn stützte; der Arme fiel umso tiefer,
desto mehr er zuvor erhoben worden war. Unmittelbar nämlich nach dem
Tod des Abtes, seines Onkels, wurde er von allen verschmäht, vertrieben
2Vitae patrum oder Vitas patrum, Sammelwerk mit Lebensbeschreibungen und Sentenzen der
ersten christlichen Mönche und Eremiten. S. hierzu WILLIAMS, Art. ,, Vitas patrum".