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BUA 11,8
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8. Den Bienen ist also „mit allen die Arbeit“ gemeinsam.
[1] Und das ist es, was der heilige Augustinus1 in seiner Regel sagt: „Alle
eure Werke mögen im Dienst der Gemeinschaft geschehen, und zwar mit
mehr Eifer und größerer Begeisterung, als wenn jeder für sich selbst und
zum eigenen Nutzen arbeiten würde. Denn über die Liebe steht geschrieben, 5
dass sie nicht fragt, was ihr gehört, das heißt, dass sie die Gemeinschaft dem
Eigentum und nicht das Eigentum der Gemeinschaft voranstellt. Je mehr ihr
euch daher um das Gemeinwohl sorgt, desto deutlicher werdet ihr erkennen,
dass ihr mehr profitiert, so dass in allem, was die vergängliche Not betrifft,
die Liebe, die bleibt, hervorragt.“ Und der heilige Benedikt2 sagt in der 10
Regel für die Mönche: „Müßiggang ist der Feind der Seele. Deshalb sollen
die Brüder zu bestimmten Zeiten mit manueller Arbeit, zu bestimmten
Stunden mit der heiligen Lesung beschäftigt sein.“ Daher legt derselbe
Vater Benedikt die Zeiten fest, in denen sie sich mit der manuellen Arbeit,
mit Lektüren und Gebeten beschäftigen müssen.3 Die vorübergehende 15
Notwendigkeit nutzt weltliche Dinge, sie nutzt auch - gemäß dem, was
verschiedene Orden aufstellen - weltliche Bemühungen, obgleich sie auch
mit geistlichem Nutzen verbunden werden müssen; aber dennoch muss in
allen Dingen die Liebe immer hervorragen. Liebe ist nämlich nicht nur eine
Tugend, sondern vielmehr die Gestalt aller Tugenden. Sie ist gemäß dem 20
Apostel der vorzüglichste Weg, der zum Himmel führt. Wer diesen
beschreitet, wird die Laster verachten und er wird auch die Welt verachten.
[2] Ich sah einen gewissen Kaplan bei St. Antonius im Kloster des
Zisterzienserordens in Paris,4 einen Bruder mit dem Namen Bruno, einen
heiligen und guten Mann, der sich wunderbar der Frömmigkeit hingegeben 25
1Hl. Augustinus (354-430), Kirchenlehrer, seit 396 Bischof von Hippo Regius. S. für weitere
Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,1. | 2Hl. Benedikt (geb. um 480), Namensgeber des
benediktinischen Mönchtums. S. für weitere Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,5. | 3Das
Alltagsleben im Kloster war von einer sich täglich wiederholenden Abfolge aus Gottesdiensten
und Gebetshandlungen geprägt. In Anlehnung an das biblische Gebot des siebenfachen
Gotteslobs pro Tag (Ps. 118,164) wurde diese Abfolge in der Benediktsregel genau definiert:
Sieben Gebetszeiten am Tag verliehen zusammen mit dem Nachtgebet dem klösterlichen heben
nicht nur eine feste Struktur, sondern ermöglichten es auch, die Abfolge des Heilsgeschehens bis
zum Tode Christi im Gebet nachzuempfinden. S. dazu ENGELBERT, Zeit.
^Saint-Antoine-des-Champs in Paris, 1204 aus einer Einsiedelei für Frauen in ein
Zisterzienserinnenkloster umgewandelt. Zur Geschichte s. BERMAN, White Nuns, S. 150-190
sowie BONNARDOT, L Abbaye royale.
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8. Den Bienen ist also „mit allen die Arbeit“ gemeinsam.
[1] Und das ist es, was der heilige Augustinus1 in seiner Regel sagt: „Alle
eure Werke mögen im Dienst der Gemeinschaft geschehen, und zwar mit
mehr Eifer und größerer Begeisterung, als wenn jeder für sich selbst und
zum eigenen Nutzen arbeiten würde. Denn über die Liebe steht geschrieben, 5
dass sie nicht fragt, was ihr gehört, das heißt, dass sie die Gemeinschaft dem
Eigentum und nicht das Eigentum der Gemeinschaft voranstellt. Je mehr ihr
euch daher um das Gemeinwohl sorgt, desto deutlicher werdet ihr erkennen,
dass ihr mehr profitiert, so dass in allem, was die vergängliche Not betrifft,
die Liebe, die bleibt, hervorragt.“ Und der heilige Benedikt2 sagt in der 10
Regel für die Mönche: „Müßiggang ist der Feind der Seele. Deshalb sollen
die Brüder zu bestimmten Zeiten mit manueller Arbeit, zu bestimmten
Stunden mit der heiligen Lesung beschäftigt sein.“ Daher legt derselbe
Vater Benedikt die Zeiten fest, in denen sie sich mit der manuellen Arbeit,
mit Lektüren und Gebeten beschäftigen müssen.3 Die vorübergehende 15
Notwendigkeit nutzt weltliche Dinge, sie nutzt auch - gemäß dem, was
verschiedene Orden aufstellen - weltliche Bemühungen, obgleich sie auch
mit geistlichem Nutzen verbunden werden müssen; aber dennoch muss in
allen Dingen die Liebe immer hervorragen. Liebe ist nämlich nicht nur eine
Tugend, sondern vielmehr die Gestalt aller Tugenden. Sie ist gemäß dem 20
Apostel der vorzüglichste Weg, der zum Himmel führt. Wer diesen
beschreitet, wird die Laster verachten und er wird auch die Welt verachten.
[2] Ich sah einen gewissen Kaplan bei St. Antonius im Kloster des
Zisterzienserordens in Paris,4 einen Bruder mit dem Namen Bruno, einen
heiligen und guten Mann, der sich wunderbar der Frömmigkeit hingegeben 25
1Hl. Augustinus (354-430), Kirchenlehrer, seit 396 Bischof von Hippo Regius. S. für weitere
Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,1. | 2Hl. Benedikt (geb. um 480), Namensgeber des
benediktinischen Mönchtums. S. für weitere Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,5. | 3Das
Alltagsleben im Kloster war von einer sich täglich wiederholenden Abfolge aus Gottesdiensten
und Gebetshandlungen geprägt. In Anlehnung an das biblische Gebot des siebenfachen
Gotteslobs pro Tag (Ps. 118,164) wurde diese Abfolge in der Benediktsregel genau definiert:
Sieben Gebetszeiten am Tag verliehen zusammen mit dem Nachtgebet dem klösterlichen heben
nicht nur eine feste Struktur, sondern ermöglichten es auch, die Abfolge des Heilsgeschehens bis
zum Tode Christi im Gebet nachzuempfinden. S. dazu ENGELBERT, Zeit.
^Saint-Antoine-des-Champs in Paris, 1204 aus einer Einsiedelei für Frauen in ein
Zisterzienserinnenkloster umgewandelt. Zur Geschichte s. BERMAN, White Nuns, S. 150-190
sowie BONNARDOT, L Abbaye royale.