Metadaten

Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0322
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
5
10
15
20
25
30
35

BUA 11,10

317

Siehe noch eine weitere Beweisführung. Zuerst aber frage ich die
verleumderischen Ankläger: Welche Arbeit kann als schwerer und würdiger
bezeichnet werden, die körperliche oder geistige? Es gibt keinen, der
zweifelt, dass es gewiss die geistige Arbeit ist; sie ist nämlich
gewinnbringender und daher würdiger. Christus hat den Seinen über die 5
geistige, nicht aber über die körperliche Arbeit gesagt: „Schafft euch eine
Speise, die nicht vergänglich ist, sondern die zum ewigen Leben bleibt.“ Die
Arbeit aber derjenigen, denen ihr die Stricke eurer Schlussfolgerung
umschlingt, ist die Arbeit des Strebens, die Arbeit der Beratung, die Arbeit
des Vorherbedenkens, die Arbeit der Sorgfalt, und - damit sie nichts 10
Unerörtertes, Ungeordnetes vorbringen - die Arbeit der Furcht und die
Arbeit der Predigt. Bei solchen besteht kein Zweifel, dass der Geist der
guten Brüder im Orden beständig aufgerieben wird. Ich will auf den Rest
verzichten, der den Kundigen zufolge schwerer wiegt. Was soll ich beim
Anhören der Beichte über die Mühe des Beratens sagen, bei dem man 15
gezwungen ist, die Unflätigkeiten der Sünder zu ertragen, bis sie durch die
Ohren zum Herzen wandern und den Geist und Körper vollkommen
ermüden; und so wissen die, die sich inmitten von Bränden befinden, vor
Angst nicht, was sie tun und wohin sie sich wenden sollen. Wer nämlich hat
Boethius10 zufolge „ein derart bestimmtes Glück, dass er nicht mit der 20
Beschaffenheit seines Standes zankt?“ Ich glaube, dass es viele im Orden
gibt und gegeben hat, die in ihrer Zeit eher die körperlichen Flammen eines
Brandes ertragen hätten, als die Angst dieses geistigen Brandes auszuhalten.
Gott ist dennoch imstande, bei seinen Dienern die Flammen zu lindem,
damit das Feuer diese nicht berührt, wie auch nicht die drei Knaben im 25
Feuerofen, und dessen Mitte „wie einen wehenden Wind aus Wasser zu
machen“. Dies ist aber der Trost der guten Brüder, wenn sie nämlich beim
Anhören von Beichten für kurze Zeit betrübt sein sollen. „Wenn eine Frau
nämlich gebärt, hat sie Schmerzen“; sie soll sich dennoch in Hoffnung
freuen, weil durch ihre Buße ein Mensch auf die Welt gekommen ist. Sie 30
sehen es nämlich, wenn verschwenderische Söhne aus einem fernen Land
zum frommen Vater zurückkehren; sie sehen, dass diese Söhne dennoch mit
einem Kuss angenommen werden und dass das erste Gewand der Unschuld
herausgeholt wird, dass diese ruhmvoller geschmückt werden mit dem Ring
des Glaubens, der „durch die Liebe seine Wirkung zeigt“, und mit den 35

10Anicius Manlius Severinus Boethius (475/80-524), Philosoph und Theologe. 8. für weitere
Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,21,4.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften