Metadaten

Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0436
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5
10
15
20
25
30

BUA 11,18

431

Und siehe, als wie tadelnswert dies Christus im Evangelium bezeichnet hat:
„Wer“, sagt er, „einem von diesen Geringen, die an mich glauben, Ärger
bereitet, für den wäre es besser, dass ihm ein Esels-Mühlstein an seinen
Hals gehängt und er in das tiefe Meer versenkt wird.“ Bemerke, dass
Christus höchst selten, wenn nicht hier, festgelegte Strafen für die Sünde 5
bestimmt. Hier aber hat er geurteilt, dass allein für den Skandal das
Versenken im Meer mit einem Esels-Mühlstein geschehen soll. Wer aber
bereitet dem Menschen mehr Ärger als der, der ihm eine Gelegenheit zur
Sünde und zum Skandal verschafft? Über jene aber, deren
Zurechtweisungen oder Bissigkeiten ihre Eingeweide des Hasses folgen, 10
wollen wir ein Beispiel aus unserer Zeit darlegen.
[2] Der ehrwürdige Jakob von Vitry, den wir schon vorher erwähnt haben,1
hat, wie vielen noch immer bekannt ist, das Kreuz von Jerusalem um des
Heils vieler willen in Brabant gepredigt.2 Es geschah jedoch, dass er, als er
an einem gewissen Tag tödliche Feindschaften schlichten wollte, einen, der 15
ein Unrecht erlitten hatte, zuerst demütig, dann niedergeworfen zu dessen
Füßen einmal, dann noch einmal und ein drittes Mal in Gegenwart einer
Menge von Menschen bat, aber nichts bei dem Widerspenstigen bewirkte.
An das Volk gewandt sagte er aber: „Ich beschwöre euch in Gegenwart
aller, weil der, der uns geringschätzt, auch den geringschätzt, der uns sendet. 20
Bittet also den Herrn, dass ein Zeichen auf den hartnäckigen Menschen
zeigt, wodurch sich allen Anwesenden eröffnen soll, dass dieser gegen sich
feindselig gehandelt hat, als er an dem Hass gegen den Nächsten festhielt.“
Und ohne Verzug: Als der heilige Mann seine Rede vollendete, brach jener
Elende, nachdem sich seine Augen einmal, noch einmal und ein drittes Mal 25
verdreht hatten, auf der Erde zusammen, der Mund schäumte von Blut und
Eiter, und allen erwies sich ein gewaltiges Schauspiel des Schreckens und
der Sühne. Darauf richtete der ehrwürdige Mann unter den Tränen des
Volkes den im inständigen Gebet Niedergeworfenen auf. Bald darauf war er
vollständig errettet; als er vor sich seinen Feind sah, bat er ihn, um ihn wie 30
einen engen Freund zu bitten, unter Tränen um Vergebung und rührte,
während er sich in dessen Küsse stürzte, die Herzen aller zu Tränen und

Jakob von Vitry (1160 70-1240), Regularkanoniker und Kreuzzugsprediger, seit 1216 Bischof
von Akkon, seit 1228 Kardinalbischof von Tusculum. S. für weitere Informationen Thom.
Cantimpr. BUA prolog sowie für Geschichten über Jakob ebd., 1,19,8 sowie ebd., 1,22,2.
Jakob von Vitry predigte 1213-1214 in den südlichen Niederlanden gegen die Albigenser, s.
hierzu die Einleitung zur Edition.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften