Metadaten

Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0454
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5
10
15
20
25
30

BUA 11,20

449

als der Abend kam, legte er sich in der leeren Vorhalle der Kirche hin. In
der Stille der finsteren Nacht nun tötete ein gewisser heimtückischer
Straßenräuber einen Vorbeigehenden und verschwand heimlich. Als am
Morgen jedoch der ermordete Mann aufgefunden wurde und daneben der
unbekannte Heide, wurde dieser ergriffen und bei einer Versammlung den 5
Adeligen und dem Volk der Stadt als Gefangener vorgeführt, und man warf
ihm die Tat vor. Als er - durch die Verzeiflung gebrochen - den Mord nicht
leugnete, betrachtete sein einstiger Freund, der schon länger in Erstaunen
versetzt dort stand, den Mann und erkannte ihn, und als jener zum Tod
geführt wurde, stürzte er sofort hervor und rief: „Er ist unschuldig! Ich bin 10
es, der die Tat verübt hat.“ Und als er sich ohne Verzug unter dem Geschrei
und dem Kummer des Volkes hinkniete, um enthauptet zu werden, sprang
jener, der die Tat begangen hatte und der aus göttlicher Einsicht heraus
fürchtete, dass ein so edler und unschuldiger Mann sterben sollte, in die
Mitte und rief: „Beide sind unschuldig, sowohl der erste als auch der zweite. 15
Ich bin der höchst Schändliche, der die Mordtat begangen hat.“ Bald wurden
der Richter und die Vornehmen der Stadt auf wundersame Weise in
Erstaunen versetzt und sie nahmen alle drei besagten Männer gefangen und
untersuchten die Tat recht sorgfältig; als sie aber die Wahrheit in Gänze
erkannt hatten, sprachen sie die Unschuldigen frei und aus Bewunderung 20
seines Sühneopfers auch den Angeklagten selbst. Jener Christ aber nahm
den Freund mit offenen Armen und Augen auf, und lud ihn, wie ich knapp
erwähnen möchte, zum Bekenntnis des christlichen Glaubens ein. Jener
stimmte zu, wurde getauft und nahm eine edle Frau, eine Verwandte seines
Freundes, zur Frau; und weil dieser darauf drängte, teilte er mit jenem die 25
Güter, die er besaß, zur Hälfte.
Die Bienen der Gläubigen sollen also untereinander durch die gebotene
christliche Freundschaft erquickt werden und sie sollen sich der göttlichen
Gnade hingeben und sich bemühen, das Beispiel wenigstens des
heidnischen Menschen nachzuahmen. 30
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften