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BUA 11,29
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[5] Dies behauptet jedenfalls ein gewisser Heiliger feinsinnig über die
Königin der Jungfrauen, indem er sagt: Wenngleich Maria auch im Körper
die schönste der Frauen war, so dass sie nämlich ohne männliche
Beimischung „den in seiner Gestalt Schönsten unter den Menschenkindern“
empfing und gebar, war sie dennoch so höchst ordentlich in den Sitten, dass 5
ihre äußerst schickliche Schönheit niemals irgendwen, auch nicht den durch
Ausschweifungen Lasterhaftesten, auch nur durch die geringste Versuchung
zur Begierde bewegte; und wir glauben und bekennen, dass dies durch die
Hilfe des Heiligen Geistes an ihr geschah. Auf welche Weise es nämlich
anders hätte geschehen können, sehen wir nicht. 10
[6] Also wird es unseren Leser, wie wir uns vollkommen sicher sind, nicht
verdrießen, in seine Lektüre etwas über die ruhmreiche Jungfrau
einzufügen, durch das wir ernsthaft zur Liebe zu ihr selbst und zu ihrer
würdigen Verehrung entflammt werden. Wie wir aus sicherer Quelle
erfahren haben, gab es beinahe zu unserer Zeit in Deutschland einen jungen 15
Mann. Nachdem seine Eltern gestorben waren, wurde er durch den Rat
schlechter Leute verführt und verprasste sein ausgezeichnetes Erbe gänzlich
beim Würfelspiel und in Tavemen. Von nun an, so erzählte man,
durchstreifte er elend seine Heimat, und obgleich er sonst dumm war,
bewahrte er dennoch die Keuschheit des Körpers. Eines Tages jedoch 20
begegnete ihm ein gewisser Ritter, sein Onkel, der ihn nicht wenig
bedauerte, sprach ihn an und sagte: „Es macht sich schlecht für dich,
teuerster Neffe, so umherzuschweifen, der du es doch mit deiner berühmten
Herkunft zu einem tüchtigen und großen Mann hättest bringen können,
wenn dich nicht ein solcher Wahnsinn ergriffen hätte.“ Als der junge Mann 25
dessen Worte als weibisch verlachte, fügte der Ritter hinzu: „Gibt es denn
nichts, mein Lieber, das du für mich tun würdest?“ Jener sagte zu ihm:
„Durchaus.“ Und der Ritter: „Ich will also, dass du die glorreiche Mutter
Gottes, Maria, fünfzigmal an jedem Tag durch Gebete grüßt.“ Dieser
antwortete ihm mit lautem Lachen: „Einmal, aber doch hoffentlich nicht 30
jeden Tag“, der Onkel aber blieb standhaft und sagte: „Du musst dies auf
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[5] Dies behauptet jedenfalls ein gewisser Heiliger feinsinnig über die
Königin der Jungfrauen, indem er sagt: Wenngleich Maria auch im Körper
die schönste der Frauen war, so dass sie nämlich ohne männliche
Beimischung „den in seiner Gestalt Schönsten unter den Menschenkindern“
empfing und gebar, war sie dennoch so höchst ordentlich in den Sitten, dass 5
ihre äußerst schickliche Schönheit niemals irgendwen, auch nicht den durch
Ausschweifungen Lasterhaftesten, auch nur durch die geringste Versuchung
zur Begierde bewegte; und wir glauben und bekennen, dass dies durch die
Hilfe des Heiligen Geistes an ihr geschah. Auf welche Weise es nämlich
anders hätte geschehen können, sehen wir nicht. 10
[6] Also wird es unseren Leser, wie wir uns vollkommen sicher sind, nicht
verdrießen, in seine Lektüre etwas über die ruhmreiche Jungfrau
einzufügen, durch das wir ernsthaft zur Liebe zu ihr selbst und zu ihrer
würdigen Verehrung entflammt werden. Wie wir aus sicherer Quelle
erfahren haben, gab es beinahe zu unserer Zeit in Deutschland einen jungen 15
Mann. Nachdem seine Eltern gestorben waren, wurde er durch den Rat
schlechter Leute verführt und verprasste sein ausgezeichnetes Erbe gänzlich
beim Würfelspiel und in Tavemen. Von nun an, so erzählte man,
durchstreifte er elend seine Heimat, und obgleich er sonst dumm war,
bewahrte er dennoch die Keuschheit des Körpers. Eines Tages jedoch 20
begegnete ihm ein gewisser Ritter, sein Onkel, der ihn nicht wenig
bedauerte, sprach ihn an und sagte: „Es macht sich schlecht für dich,
teuerster Neffe, so umherzuschweifen, der du es doch mit deiner berühmten
Herkunft zu einem tüchtigen und großen Mann hättest bringen können,
wenn dich nicht ein solcher Wahnsinn ergriffen hätte.“ Als der junge Mann 25
dessen Worte als weibisch verlachte, fügte der Ritter hinzu: „Gibt es denn
nichts, mein Lieber, das du für mich tun würdest?“ Jener sagte zu ihm:
„Durchaus.“ Und der Ritter: „Ich will also, dass du die glorreiche Mutter
Gottes, Maria, fünfzigmal an jedem Tag durch Gebete grüßt.“ Dieser
antwortete ihm mit lautem Lachen: „Einmal, aber doch hoffentlich nicht 30
jeden Tag“, der Onkel aber blieb standhaft und sagte: „Du musst dies auf