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Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0540
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BUA 11,29

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alle Fälle tun, wenn die ruhmreiche Jungfrau einmal die Augen der
Barmherzigkeit auf dich richten und für deine Not bei ihrem Sohn
Einspruch erheben soll.“ Auf seine Worte hin nickte der junge Mann und
ging davon.
Ein Jahr danach geschah es, dass der Onkel den jungen Mann sah und ihn 5
fragte, ob er denn auch das Versprechen gehalten hatte. Und jener sagte:
„Ich habe es gehalten und wollte nicht, dass ich es in irgendeiner Hinsicht
nicht beachtet hätte. Mir ist nämlich heiterer zumute als zuvor in meiner
weltlichen Eitelkeit.“ Zu ihm sagte der Onkel mit Freude: „Also wirst du in
diesem folgenden Jahr deinen Dienst an der Mutter Christi bei den 10
Anrufungen verdoppeln.“ Und der junge Mann sagte: „So soll es
geschehen.“ Als aber das zweite Jahr vorüber war, kehrte er zum Onkel
zurück und sagte: „Mit dem Beistand der Mutter Christi ist bereits der ganze
Wahnsinn meiner äußerst elenden Verfassung verschwunden und die
Standhaftigkeit meines Willens wird durch den festen Vorsatz gestärkt, 15
Gutes zu tun.“ Zu ihm sagte der Onkel unter Tränen: „Gepriesen sei die
Mutter der Frömmigkeit und auch dir, Liebster, der du meinem heilsamen
Vorschlag vertraut hast, bringe ich Dank entgegen. Nichts bleibt also übrig,
als dass ich in diesem Jahr deinen festen Vorsatz prüfe und, wenn ich ihn für
würdig befinde, dir eine angemessene Eheverbindung verschaffe. Du aber 20
wirst in der Zwischenzeit emsig deine Helferin in drei mal fünfzig
Anrufungen ehren.“ Der junge Mann stimmte zu, wurde für standfest
befunden und im Laufe des Jahres vollbrachte der Onkel, was er dem jungen
Mann versprochen hatte, brachte eine Eheverbindung zustande und aus
beiden Teilen kam die Verwandtschaft zusammen, weil ein Gastmahl 25
veranstaltet wurde. Nachdem also Tische aufgestellt und Hände gewaschen
worden waren, und als bereits der Bräutigam und die Braut
beisammengesessen hatten, um gleich zu essen, fiel dem Bräutigam
unvermutet ein, dass er an jenem Tag noch nicht die fest versprochenen
Anrufungen an die glorreiche Jungfrau verrichtet hatte, weil er anders 30
beschäftigt gewesen war; er stand plötzlich auf und murmelte dem Onkel
zu, dass er mit dem Verteilen der Speisen ein wenig warten möge. Dieser
nickte und der junge Mann betrat allein das Gemach und erfüllte, was er der
Mutter Christi versprochen hatte, weil sich gezeigt hatte, dass er umso
gütiger erhört wurde, je ergebener er sein Gebet sprach. Ohne Zögern, als er 35
die letzte Anrufung der drei mal fünfzig Gebete schon vollendet hatte,
 
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