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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0650
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BUA 11,30

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[36] Der dritte Weg zur Unzucht besteht in der verabscheuens würdigen
Entsetzlichkeit von Kupplerinnen. Über diese sagt der Ecclesiasticus: || „Die
dritte Lästerzunge verstößt tapfere Frauen und nimmt ihnen, was sie durch ihre Arbeit
erworben haben.“ || Die dritte Lästerzunge ist die Mittlerin der
Schändlichkeiten, die die Gestalt deiner ersten Mutter hat, die den in aller 5
Weisheit und Zierde vollkommenen Mann verführte und aus dem Paradies
vertrieb. Bist du also ein aufrichtiges Mädchen, ohne Arglist, die du den
Händen solcher Menschen entfliehen kannst, wenn du auch einmal auf
einfachste Weise das Gehörte geschehen lässt? Dir bleibt einzig der
Ratschlag übrig, dass du solche Gesellschaft immer meiden sollst, dass du 10
nicht mit ihnen gehen oder sitzen sollst, weil für Mädchen nichts
schändlicher ist als dieses Übel. Ich wundere mich gewiss und habe mich
schon lange gewundert, dass die bürgerlichen Gesetze solche nicht
bestrafen, während sie einen Dieb schon für einen kleinen Tatbestand
verurteilen und hängen. Das Gesetz Moses’ ordnet im Levitikus an, dass 15
wenn irgendjemand „einen Menschen bestohlen oder verkauft hat, er ohne
jede Barmherzigkeit sterben muss.“ Ob ein Raub von Hand oder auf
Anraten geschieht - hinsichtlich der Sünde unterscheidet sich das auf keine
Weise. Welche Strafe also muss eine blutsaugende Unholdin verbüßen, die
die Seele eines Mädchens, die sie verführt hat, dem Teufel überlässt und den 20
zu verabscheuenden Körper den Verführungen? Außerdem kann man einen
Menschen nicht schändlicher entehren oder verdammen als durch seine
Tochter oder seine Ehefrau.
[37] Ich habe gehört, was sich daraufhin zu unserer Zeit in Reims ereignet
hat. Es gab dort einen Menschen, wie mir ein Bruder des Predigerordens 25
berichtet hat, einen Holzhandwerker, der sehr sanft war und eine schöne und
gute Frau hatte. Auf diese hatte ein gewisser Reicher, der zwar vermögend
an Geld, aber arm im Herzen war, seine unkeuschen Augen geworfen. Also
betrat eine von ihm ausgesandte ruchlose Vettel das Haus der jungen Frau,
 
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