Metadaten

Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0730
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
5
10
15
20
25
30

BUA 11,36

725

36. Sie sind auf wunderbare Weise unschuldig.
[1] Jenen ahmen die Bienen der Gläubigen besonders nach, der gemäß dem
Propheten keine Sünde beging und „in dessen Mund keine Heimtücke“
gefunden wurde. Es ist in diesen Zeiten eine seltene Sache, auch bei
Knaben, welche dem Namen und der Gestalt nach die Reinheit der 5
Unschuld erkennen lassen, die Unschuld der Reinheit zu finden; aber wenn
Schlechtigkeit die Jugend anfüllt, erschöpfen die Kräfte durch
Ausschweifungen sich gegenüber noch vor der Zeit. Deshalb ist jede Würde
verloren gegangen und die Kraft bei Erwachsenen erschlafft. Auch die
Ruchlosen lieben den Ruhm, und die Tugend gibt nach, wenn sie verworfen 10
wurde, Kain lebt bei den Brudermorden auf, Abel wird unschuldig von
Neuem zugrunde gerichtet. Es gibt keinen, der die Reinheit erwägt und
daher für einen höchst seltenen Anhänger der Unschuld gehalten wird.
Freilich könnte ihnen, wenn sie allein schuldige weltliche Fürsten wären,
doch wenigstens - wenn auch mit einem Seufzen - Genüge geleistet 15
werden. Aber mit größter Verachtung muss man auf jene spucken, die
anstelle der Apostel die Schatzmeister der Kirche sind, die mit verachteten
Unschuldigen und Bewährten nicht erwägen, einen Gottlosen zu offenbaren,
wenn sie diesen Verschlagenen sehen. Die Unschuld wird Gott nicht so
billig anvertraut, der vom Anfang der Welt den unschuldigen Henoch von 20
Anbeginn an aufnahm, Noah als Gerechten ansah, Abraham vermehrte,
Esau tadelte, Jakob liebte und den unschuldigen Joseph an die Spitze der
ganzen Welt stellte. Christus wählte die Unschuld der Reinheit in der
Mutter, krönte bei den Unschuldigen, lobte bei Johannes dem Täufer, liebte
bei Johannes und empfahl bei jenen kleinen Kindern, die er zu sich rief und 25
die er umarmte, Folgendes: „Lasst die Kinder zu mir kommen, denn ihrer ist
das Königreich der Himmel.“ Und was soll ich sagen? Die Zeit wird mich
eher verlassen als die Beispiele, weil alle, die dem Herrn gefielen, entweder
durch die Vollkommenheit des Lebens nach dem Fall oder durch die
Unschuld des Lebens vor dem Fall oder gewiss durch die Strafe zur 30
Reinheit des Lebens zurückkehrten.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften